
Eisenbahnfreunde haben sich über das Foto von Ralf-Reiner Koall sehr gefreut. Doris Ruppert schreibt dazu aus Eise-nach: „Die alte Guste auf dem historischen Foto war von 1947 bis 1950 Arbeitsplatz meines Vaters Johannes Schoeder, der nach Kriegsgefangenschaft und einjährigem Krankenhausaufenthalt als Streckenarbeiter bei der Stadtbahn beschäftigt war, bevor in seinen Beruf als Schriftsetzer zurückkehren konnte. Ich konnte nur drei Jahre alt gewesen sein, aber ein Bild sehe ich wie heute vor mir: Die Bahn hielt an unserer Kreuzung Bautzener Straße/Grünstraße an, mein Vater stieg wegen seiner Knietuberkulose ziemlich bedächtig aus und er rückte mit einer langen Stange an den Weichen. Während die Stadtbahn in die Grünstraße Richtung Fabrik einfuhr, ging er zu Fuß vorneweg, um die nächste Weiche am Fabriktor zu bedienen.
Im hinteren Bereich der Grünstraße standen immer abgestellte Waggons, auf denen wir Kinder des ‘Algier-Viertels’ herumtollen konnten, ohne dass darüber geschimpft wurde.
So waren wir oft auf ‘Mittags Platz’, wo wir uns eine Art Abenteuerspielplatz auf den zahlreich abgestellten Stadtbahnwaggons und in einer vor dem Büro des Kohlenhändlers Schwausch abgestellten schwarzen Kutsche mit Scheinwerfern erschlossen hatten.
Das fast leere winzige Räumchen in einer Kriegsruine mit dem schiebermützentragenden, selbst beim Schreiben genüsslich rauchenden Kohlenhändler vor seinem pompösen Schreibtisch mit unzähligen Fächern war erfüllt vom wunderbar süßen Duft der Haufen noch warmer gepresster Briketts, die durch die Stadtbahn über ein weit verzweigtes Gleisnetz hierher transportiert wurden. Jede größere Firma hatte einen Gleisanschluss. Beim Fahrradfahren wurden uns die zahlreichen Gleiseinmündungen manchmal zum Verhängnis. Früher fürchtete man sich als Kind, den Eltern solche Pannen zu erzählen.
Der Damm im Bereich der Spreebrücken an der so genannten Liebesinsel (heute Kläranlage) war früher eine Strecke der ehemaligen Stadtbahn zwischen Bahnhof und Westbahnhof und beförderte auch Passagiere.
Der Südbahnhof blieb ziemlich lange erhalten, bis er zum 20. Jahrestag der DDR als Spielplatz umgestaltet wurde.“
Helga Reichstein schrieb: „In Spremberg gab es einmal fünf Bahnhöfe: den Ostbahnhof (heute Hauptbahnhof), den Südbahnhof (heute Sprelawerk), den Stadtbahnhof Rossplatz (heute Puschkinplatz) und den Kohlebahnhof Hoyerswerderstraße/Kochsdorfer Weg. Es handelte sich um hier um eine Ein-Meter-Spur der Kleinbahn.“
Manfred Gnida weiß ebenfalls sehr gut Bescheid. „Eisenbahnfreunde, und besonders die der Spremberger Stadtbahn, werden beim Anblick der Lok in Erinnerungen schwelgen. War doch die Spremberger Stadtbahn ein Stück Geschichte der Stadt, welche zur Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs eine besondere Rolle spielte. Die dominierende Tuchindustrie erforderte auch einen höheren Kohlebedarf zum Betrieb der Dampfmaschinen und das konnte nur durch eine Veränderung der Transportverhältnisse ermöglicht werden. Pferdefuhrwerke reichten nicht mehr aus und so forderten die Stadtverordneten den Bau einer Stadtbahn. Der Vertrag dazu wurde am 25. Oktober 1895 unterzeichnet, am 20. Mai 1896 erfolgte die Genehmigung. Drei wirtschaftliche Vorhaben sollten diesen Plan verwirklichen und so entschloss man sich zum Bau einer regelspurigen Bahn vom damaligen Roßplatz zum Staatsbahnhof, dem einzigen heute noch bestehenden (Hauptbahnhof), zu einer meterspurigen Kleinbahn zu den Fabriken in der Stadt und eine weitere zum Abtransport der Kohle aus den Gruben bei Pulsberg und Terpe, später bis Haidemühl. Waren doch alle drei Bahnen betriebstechnisch verschieden, so wurden sie bei einer Feier am 21. Januar 1898 als Spremberger Stadtbahn unter einer einheitlichen Leitung in Betrieb genommen.
Der Anschluss zur Staatsbahnstrecke wurde am 7. April 1897 fertig und am 1. Oktober 1897 erfolgte auf der 3,25 km langen Strecke der Betrieb vom Stadtbahnhof zum Staatsbahnhof. Etwa um 1903 wickelten drei regelspurige Dampfloks den Transport ab und 1925 kam ein mit Benzol betriebener Triebwagen dazu. Die abgebildete steht zur Wartung oder Reparatur. Viele Lokomotiven wurden aber auch verkauft, gingen ins Museum oder dienten als Dampferzeuger.“
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