Walter Drangosch – Er war das lokale Lexikon
Bilder aus dem alten Cottbus | Von S. Roy | 6. Januar 2023
Walter Drangosch in den 1960er Jahren als
Cottbuser Stadtführer
Heimatgeschichte fand in der frühen DDR, wenn überhaupt, nur an Stammtischen oder in den Hinterstuben privater Buchhandlungen statt, die es noch bis in die 1980er Jahre gab. Eine davon gehörte ab 1932 Walter Drangosch (1899-1985), dem gelernten Buchhändler, der sein Geschäft nach kurzer russischer Kriegsgefangenschaft (er hatte nur in einem heimatlichen Sanitätszug gedient) schon im September 1945 wieder eröffnen durfte. Sein Leben lang beschäftigte sich der Händler, Antiquar und Archivar mit Cottbuser Stadtgeschichte, Lausitzer Geschichte und dem Leben und Schaffen Pücklers. Die 800-Jahr-Feier der Stadt Cottbus 1956 gab dem Heimatforscher Gelegenheit, zur Stadtgeschichte und über Persönlichkeiten zu publizieren, bald danach aber wurden Heimatkalender und die kulturellen Monatshefte eingestellt. Drangosch aber blieb, wie er es im familiären Umfeld gewohnt war, unermüdlicher Erzähler der lokalen „Damals war’s“-Geschichten, trug sie fundiert, in Fakten und Zusammenhänge eingebettet, vor und gewann junge Intellektuelle für sein Thema. Sie waren es, die später im Kulturbund die Heimatgeschichte salonfähig machten. „Vater Drangosch“, wie er in ihren Kreisen hieß, hatte immerhin schon 1956 eine Pückler-Bibliographie mit 606 Titeln in „Grundrisse zur deutschen Dichtung“, Bd. XIV, und 1974 eine Bibliographie zur Geschichte der Stadt Cottbus mit 1 411 Titeln veröffentlichen können. Von ihm selbst sind 340 Arbeiten zur Stadtgeschichte, darunter fünf Stadtführer, überliefert und werden bis heute als zuverlässige Quellen geschätzt.

Am Grab des Ehrenbürgers 1990 auf dem Nordfriedhof: Historiker Kohlschmidt (l.) und der Autor
Das Mühen für die Erbpflege fand zunächst in Kulturbundkreisen offizielle Anerkennung, dessen Ehrenurkunde Walter Drangosch 1960 bekam. 1963 zeichnete ihn der Bezirk Cottbus mit dem Carl-Blechen-Preis 3. Klasse aus und im Jahr 1979 gab es gar den Vaterländischen Verdienstorden in Bronze, dem sich im Oktober des gleichen Jahres die Auszeichnung als Ehrenbürger der Stadt anschloss.
Am 13. Januar 1985 starb Walter Drangosch. Eine große Schar Trauernder auf dem Nordfriedhof hörte die Jeremia-Worte von Pfarrer Bertheau: „Suche der Stadt Bestes, … denn wenn’s ihr wohl geht, so wird es auch dir wohl gehen.“ Leider glückte es nicht, die Sammlung Drangosch beieinander zu halten. H.
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