Dumm gelaufen, aber…

Es war schon der 35. Jahrestag dieser deutschen Einheit. Tatsächlich!
Den Radiosendern schien es wichtig zu vermelden, dass an der „Einheitswippe“, die als bürgerbewegtes Kunstwerk in Berlin an den Weg zueinander erinnern sollte, die Bauarbeiten weiterhin ruhen. Das ermutigte die Spitzenpolitiker, nun den Bau eines “Denkmals für die Opfer des Kommunismus“ zu planen. Auch das soll irgendwo in Berlin stehen. Wann, weiß keiner. Aber es wird nun, da die Erinnerungen an die längst vergangene kleine, ewig um Frieden bettelnde DDR immer rosiger klingen, dringlichst erforderlich. Ohne Mahn- und Denkmale will und will sich die Einheit im Volke nicht einstellen.
Die Mauer ist weg, jedoch die Gräben klaffen tief. So manch einer sagt fast schon resignierend: dumm gelaufen.
Ja, mag sein. Sie füllen inzwischen nicht nur Leserbriefseiten, sondern ganze Buchregale – die Fehleranalysen und die gegenseitigen Vorwürfe, letztlich auch das substanzlose politische Gezänk um die deutsch-deutsche Zusammenkunft, die Herrschaftsbewusste Hochdeutsche einfach nur „Anschluss“ nennen.
So recht feiern mag ihn keiner, den Anschluss. Aber rückgängig machen möchte ihn auch niemand. Nicht die Sieger der Geschichte, die ihre Westwirtschaft mit der Vereinnahmung des Ostens aus der Flaute befreiten und bis heute gut davon leben. Und schon gar nicht wir hier, denen es nach den geschenkten hundert Mark zwar erstmal mies zumute war, die dann aber Chancen nutzten, von denen zuvor keine zu träumen wagte.
Ohne Parteilehrjahr gleich an die Arbeit gehen, Selbständigkeit wagen, die globisrunde Welt erkunden, Häusle bauen auf Kredit, Auto statt Trabi, Weltstars auf Theaterbühnen sehen, in Städten mediterranes Flair genießen. Mancher probierte, vom Übermut beseelt, auch Demokratie zu gestalten. Das war und ist natürlich möglich und erwünscht – in den festen Bahnen, den vorgegebenen.
Sonst kann es passieren, er fühlt sich wie in der kleinen Republik von damals. Dumm gelaufen, aber… J.H.