Kommentar: Die zweite Generation

Dies war ein Jubiläumssommer, der sich ganz und gar von dem vor fünf Jahren unterschied. Es gab 2015 – völlig berechtigt – rauschende Feste in Sälen oder unter Zeltdächern zu den silbernen Firmenjubiläen in Stadt und Land. Viele der Unternehmen sind seither gewachsen, noch besser, noch effektiver geworden und auch souveräner. Ihre Feiern zum 30. Gründungstag aber, meist am 1. Juli oder kurz davor oder danach, waren geprägt von Lagerfeuerromantik. Man saß in kleinem Kreis, legte den Mund-Nasen-Schutz beiseite, stieß an mit Bier oder Wein (vielleicht sogar welchem von hier) und erzählte: Damals, weißt Du noch… gesetzlose Zeit aber KreditZinsen über 12 Prozent… die Begeisterung der Leute… und Kunden, Kunden, Kunden. Urlaub? Wozu! 70-Stunden-Wochen und bestens gefühlt dabei… Adrenalin… ohje!
Über schlaflose Nächte redet niemand, jedenfalls dort nicht, wo es gut lief. Und vielfach lief es gut hier in der Lausitz. Auch, weil es die Laubag, dann Vattenfall und später die LEAG gab bzw. gibt. Die Wertschöpfung im Bergbau und der Energiewirtschaft war und ist der Segen des Landstrichs – für Kohlekumpel, für Bäcker, Fleischer, Immobilienwirtschaft, Kulturschaffende, Ärzte, Wissenschaftler, Lehrer, Zeitungsmacher – für alle.
Braunkohle, sagt die Wissenschaft, gibt es noch für mindestens 500 Jahre, und sie lässt sich risikofrei verstromen. Aber die Gesellschaft hat sich anders entschieden, und die Politik folgt dem nicht nur, sie steht auch für Ausstiegs-Konsequenzen ein, finanziert milliardenfach einen Strukturwandel, den nicht sie selbst bewältigt, sondern das müssen jetzt die Menschen hier machen. Eine tolle, epochale Herausforderung für die zweite Generation dieser Neuzeit.
Die einstigen Macher (damals um die 40 Jahre jung) sind heute Lagefeuerromantiker. Ihre Söhne und Töchter packen zu. Und wie! Es geht um anders blühende Landschaften. J.H.

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