Gefühlt gehört sie zum Urgestein im Cottbuser Rathaus. Sie war schon dort, als es noch Rat der Stadt hieß. Dem schwer geplagten Chef der Wohnungsverwaltung, der zwischen zwei Räten und zwei Sekretariaten die Spur der Vernunft zur Versorgung der Menschen mit Wohnraum zu suchen hatte, war sie zuletzt Rechte Hand und folglich mit ihrem Fach- und Stadtwissen gut zu verwenden in Kleinschmidts Aufbruchtruppe. Enormes ist damals geleistet worden, auch mit Marietta Tzschoppes Hilfe. Sie musste viel Verwaltung lernen; im Politiksprech hatte sie gegenüber allen Kollegen Vorsprung. Sie konnte, mimisch untermauert, viel reden, ohne Verbindliches zu sagen.
Das kam dort gut an, wo ein gesundes Maß an Diskretion die Erfolgsaussicht der Sache verbessert. Marietta Tzschoppe, bald Baudezernentin und Bürgermeisterin, kam nie ins Gerede; das überließ sie ihren jeweiligen Oberbürgermeistern. Fünf hat sie überdauert. In die Stadtgeschichte eingehen wird sie als Mutter der Modellstadt. Hier hat sie, schon gemeinsam mit Doreen Mohaupt, sensationelle Erfolge aneinandergereiht. Und sie hat in all die prächtigen Baustellen oder fertigen Objekte, von Kleinkünstlern, Musikern und Artisten begleitet, die Bevölkerung alljährlich zu Spaziergängen eingeladen. Tausende sind ihr gefolgt, alte Cottbuser, die gerührt waren von dem Wandel in ihrer Stadt, und Neucottbuser, die solche Art der Kommunikation inspiriert hat.
Dass die wesentliche Arbeit einer Bauchefin und Bürgermeisterin hinter verschlossenen Türen von Planungsexperten gnadenlos genau zu leisten und abzuliefern ist, versteht sich.
Am 1. April hat Doreen Mohaupt den Stab übernommen. Das Bild trifft zu, denn beide Frauen liefen schon lange erfolgreich in einer Staffel zum Wohle der Stadt. Marietta Tzschoppe hat ihrer Nachfolgerin zum Abschied ohne viele Worte die Boxhandschuhe überreicht, die ihr vor 23 Jahren jemand zur Aufmunterung schenkte. Sie musste sie nie einsetzen. Aber die Aufgaben werden nicht leichter. J.H.
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