Bei allem Respekt für die vielen Wohnungen, Kindegärten, Schulen, Spiel- und Sportplätze, die brillante Fließstrecken in den 1960er bis 80er Jahren gebaut haben – sie entsprechen nicht dem freien Menschengefühl und lassen urbanes Denken vermissen. Besser: Es fiel, wie die Schriftstellerin Brigitte Reimann in ihrem Roman „Franziska Linkerhand“ zeigte, allgemeinem Mangel und der Selbstgefälligkeit der Nomenklatura zum Opfer. Das darzustellen, war 1974 (nach ihrem Tod) eine Provokation. Heute ist es notwendig, darüber neu nachzudenken. Denn Städte in der Lausitz, wie Forst, Guben, teilweise Senftenberg und Spremberg, besonders aber Cottbus, leiden an der rechtwinkligen Kühle und den sibirischen Weiten zwischen Wohnblocks. Wer sich wenigstens für gewisse Zeit wohlfühlen will, drängt nach Feierabend in die Altstädte – nicht nur, um einzukaufen, sondern eben um sich urban aufgehoben zu fühlen. Wenn, wie in Cottbus, über Konzepte des Wohnens in kommenden Jahren nachgedacht wird, muss daher intelligente Verdichtung des Stadtlebens im Vordergrund stehen. Es war sträflich, große Wohnscheiben in der Stadt abzureißen, nur weil damit die meisten Rückbau-Fördermittel geschluckt werden konnten. Vielmehr hätten sie durch Meisterwerke heutigen Bauens und Korrekturen im Bestand aufgewertet werden sollen.
Wo gewählte Menschen über (Lebens-)Konzepte reden und beschließen, sollte großer Geist walten und nicht Eigennutz oder gar Machtpolitik obsiegen. Das gab es hierzulande sehr lange und machte tausende Menschen kurzzeitig glücklich, bis sie ihre P2-Enge und die Leere vor dem Wohnblock verdammten.
Wenn der Strukturwandel dieser Region Mittel zu spült, sollte es sich hier in ein paar Jahrzehnten schöner wohnen lassen, als sonst wo in Deutschland. Die Gedanken müssen dort anschließen, wo sich’s jetzt schon behaglich anfühlt – an den gewachsenen (hinreichend lückenhaften) Altstädten, den urbanen Paradiesen. J.H.
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