Anmerkungen zum Auftragswerk „Feinstoff“ von Lars Werner in der Regie von R. Ossami Saidi.
Cottbus. Vier oder viereinhalb Geschichten vom „Morbus Alba“, dem Maulbeerbaum, sind es, die da getanzt, gesungen, geschrien, geflüstert, gespielt, durchlitten und wohl auch erzählt werden. Zwei Schauspieler und zwei Schauspielerinnen in wechselnden Glanzrollen in grundverschiedenen Situationen auf gleichbleibender Bühne – es spielen sich originelle Episoden ab in einem Stück, das wie Stegreif wirkt und dabei zwei (viel zu) große Bögen wagt über politische und wirtschaftliche Epochen, die nur sperrig zusammenkommen. Eigentlich hat Autor Lars Werner nur eine Kuriosität aufgegriffen. Friedrich II. soll nach chinesischer Seide gegiert haben und ließ in seinem Landessüden, also auch in Cottbus, Maulbeerbäume (morbus alba) zum Fraß für Seidenraupen anbauen. Das Stück aber beginnt mit dem Wiederholungsfalle im III. Reich, als angeblich nochmals Raupenfutter in Cottbus wuchs, um Fallschirmseide zu erzeugen. Aber dem Stück geht es nicht um wirtschaftliche Experimente, sondern um menschliche Verkrümmungen, hier um Diskriminierung von Sorben. Schon das ist ziemlich reingezerrt in den Seidenstoff; bei Kapitel drei verlieren Autor und Regisseur Rafael Ossami Saidy völlig den Faden und finden statt feinseidigen Fleißes nur eine (aber immerhin eine!) gepeinigte Umweltaktivistin. Jemand pflanzt einen Maulbeerbaum an die Gefängnismauer als fiktive Brücke zur Freiheit. Aus preußischer Hoch-Zeit, wo die an zweiter Stelle gespielte erste Geschichte stattfindet, ließ sich kein seidengegnerisches Individuum ausmachen – da zog dann eben die Wolke eines Vulkans über Cottbus her und ließ alle Maulbeerbäume sterben.
Story 4 spielt im Jahr 2154, da ist dann schon, so ein Radio-Rezensent, „die Ostsee“ ausgetrocknet. Die Geschichte, man hört es, wird lokal wenig und überregional gar nicht begriffen. Natürlich war Der Ostsee gemeint, und auch gegen Tesla gibt es gleich noch Grüne Seitenhiebe. Kann man alles machen. Warum auch nicht. Die Frauen, die ihre guten Erinnerungen an stolze TKC-Zeiten ins dramaturgische Vorfeld schleppten, sind verwirrt bis enttäuscht. Bleibt am Ende nicht viel mehr, als Hoffnungen an unvoreingenommene Kinder zu knüpfen, die zuletzt fragend ins unaufgeräumte Erwachsenen-Spielzimmer treten. J.Hnr.
Weitere Beiträge aus Cottbus und Umgebung finden Sie hier!
Schreibe einen Kommentar