Der Cottbuser Sportreporter und Journalist Dr. Heinz-Florian Oertel ist mit 95 gestorben

Dicke Freunde in Cottbus: Heinz-Florian Oertel gratulierte seinem jüngeren Freund Hans-Joachim „Kaupe“ Schulze 2005 zum 75. Geburtstag
Dicke Freunde in Cottbus: Heinz-Florian Oertel gratulierte seinem jüngeren Freund Hans-Joachim „Kaupe“ Schulze 2005 zum 75. Geburtstag Foto: CGA-Archiv/Hnr.

Er war zu DDR-Zeiten medial allgegenwärtig – im Rundfunk, im Fernsehen, auf Sportplätzen, bei großen Volksfesten und hier in der Lausitzer Heimat sowieso. Der Cottbuser Heinz-Florian Oertel war, gespeist vor allem aus natürlicher Begabung, Fleiß und beharrlichem Ehrgeiz, ein Vollblut-Journalist par excellence. Jeder hier im Lande kannte ihn, die meisten schätzten ihn. Jetzt ist er, schon am 27. März, mit 95 Jahren gestorben. Seine bei allem Fleiß und Stress gesunde Lebensweise ließ ihn das hohe Lebensalter in langer Aktivität erreichen. Erst zuletzt zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück. Schon zum 95. Geburtstag im Dezember bekamen Cottbuser Gratulanten keine Antwort.
Geboren ist Oertel in der Sielower Straße in einem Eckhaus über einer Kneipe, die von Baustudenten „Mauerbolzen“ genannt wurde, weil ein Nivellierbolzen aus dem Sockel ragte. Das persönliche „Nivellieren“ vom Pimpf zum Eleven am Stadttheater und dann Junglehrer für Deutsch und Sport (einige alt gewordene Schüler erinnern sich daran) vollzog der junge Heinz-Florian nach kurzer, wohl amerikanischer Kriegsgefangenschaft im kaputtgeschossenen Cottbus auf Sportplätzen als Schaukastenjournalist mit Freunden. Einem davon war er bis an dessen Lebensende engstens verbunden: Hajo „Kaupe“ Schulze. Zusammen sammelten sie, als es noch keine Zeitungen gab, erste Sportresultate und hängten die Zettel in ihren Kasten am heutigen GladHouse.
Hajo wurde dann einer der populärsten Lausitzer Lokaljournalisten, für Oertel ging es steil bergauf. Ab 1949 bis 1991 arbeitete er für den Rundfunk der DDR, dann fürs Fernsehen, profilierte sich in seiner metaphorischen Sprache, die sich von steifer Funktionärsrhetorik erfrischend abhob, und mit großem Faktenwissen zum unübertroffenen Sportreporter. 17 Olympiaden begleitete er, acht Fußballweltmeisterschaften und viele andere Sportspiele. Als Journalist und Moderator überzeugte er in eigenen Rundfunk und Fernsehreihen. Sein 45-Minuten-Live-Format „Porträt per Telefon“, in dem Zuschauer die Fragen an Prominente stellten, erlebte 254 Folgen.
Heinz-Florian Oertel entwickelte sich aus kleinen Verhältnissen zu einem selbstbewussten Weltbürger ohne Allüren. Als Joachim Rohde, Fußballberichterstatter dieser Zeitung und großer Oertel-Verehrer, sein Vorbild vor Jahren zu einem Talk ins damalige DoppelDeck einlud, folgte Oertel gern dem Ruf und ließ sich zwei Stunden lang ausfragen. Da war er längst schon in den Kreis der Akademiker aufgestiegen. Er hatte 1981 zur Reportage-Methodik an der Karl-Marx-Universität in Leipzig promoviert, lehrte in der 80er Jahren auch an dieser Uni und dozierte später an der Freien Universität Berlin und an der Uni Göttingen. In mehreren Büchern nahm er nach der Wende zu gesellschaftlichen Fragen, die viele Gemüter im Ost-West-Dialog bewegen, unaufgeregt und hilfreich Stellung. Ortel war schon sehr früh der SED beigetreten, trug als Freigeist aber nie das Banner dieser Zugehörigkeit vor sich her.
Mit diesem aufrechten Cottbuser ist eine große Persönlichkeit von der Bühne des Lebens abgetreten. J. Hnr.

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