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„Knochen“arbeit – mit allen Peinlichkeiten in Cottbus

Cottbus | Von | 6. November 2020

Anmerkungen zur „sinnlichen Geschichte“ des Norwegers Jonas Corell Petersen in der Kammerbühne.

Kammerbuehne 1

Rika Weniger, Lisa Schürzenberger. Sigrun Fischer und Ariadne Paps (v.l.n.r.) spielen – oder besser: durchleiden – in zweieinhalb Stunden und einem 40-Tage-Seminar alle Niederungen und Schmuddeleien der Menschheitsgeschichte Fotos: Marlies Kross

Cottbus. Wahrscheinlich würden sich Zuschauer unter anderen Umständen von dem großartigen und aufopfernden Spiel dieser exzellenten vier Damen zu Beifallsstürmen, Lachsalven oder auch mal bitteren Tränen verführen lassen – alles das steckt drin in diesem sinnlich-grotesken Spiel.
Aber da ist diese besondere Stimmung, die Anspannung schon im Foyer, die Masken auf Mund und Nase, der Abstand der Stühle, das befremdliche Äugen auf die Leute vorn und hinten; man erkennt sie nicht in der Verkleidung und eckigen Bewegung. Dann noch dieser Beginn: zittrige Musik in dumpfer Dunkelheit, eine Viertelstunde lang eingeblendete „Ideen für lustbetonte Aktivitäten“: Romane lesen, Tagebuch schreiben, Aerobic, Ausreiten, Blumen für sich kaufen,…, Schwimmen, Fußball spielen, …Eislaufen, Jagen, im Chor singen… und so fort. 158 Positionen. Nicht alle lustbetont. Weißgott nicht.
Aber dann geht es doch los. Die Frauen, zunächst in weißen Hotel-Morgenmänteln und Gummischuhen auftretend, beteiligen sich an einem Selbstfindungs-Seminar oder ähnlicher Fortbildung, und das auf einer Ausgrabungsstätte, die aus Kunststoffpflanzen, einem Betonmischer, einem Schlammpool und allerlei anderen Utensilien wie ein Abenteuerspielplatz aufgebaut ist (Bühne und Kostüme Nia Damerell). Sie werden sich im Laufe der Zeit so gut wie nicht miteinander unterhalten, und wenn, dann genervt anbrüllen und ihr Seminar schlammverkrustet, aber vielleicht doch – gerade noch – glücklich abschließen.
Die höchst umfangreichen, pausenlosen Monologe hat Jonas Corell Petersen, ein Norweger, aufgeschrieben, der auch die Regie in Cottbus führt und manche Dinge, zum Beispiel die Hochrechnungen der Millionen und aber Millionen Toten im Ergebnis der unterschiedlichsten Gräuel-Veranstaltungen, nur allein wissen wird.
Es kommt, das ist die Botschaft, auch nicht auf Details an, nicht mal auf die Opfer, sondern auf die Tendenz. Und die wird rückblickend, aber auch maximal persönlich verletzend vorgeführt.
Eine Systematik ist nicht zu erkennen – Wissenschaft und Religion, Adam mit Eva und dann der eisige Ötzi werden nicht geschont, denn nie geht es um die kleinen Schritte vorwärts, sondern immer um die tiefen, abscheulichen Abgründe. Adriane Paps, Lisa Schützenberger und Sigrun Fischer und mit ihnen als Gast Rika Weniger spielen sich hemmungslos die Seele aus dem Leib. Sie wälzen sich im Schlamm, singen oder prügeln wie grobe Kerls und halten doch dann und wann ein, um dem Sinn nachzugrübeln. Nicht dem Sinn dieser turbulenten Inszenierung, sondern dem Sinn des Daseins überhaupt. Dem Lebenssinn.
Wie gesagt: Vor einem entspannten Publikum würde diese Überspanntheit vermutlich tiefen Wirkung erzielen. Aber es war eine Uraufführung an einem Abend, da jeder wußte, dass ab übermorgen niemand mehr Theater spielt. Das Lachen und das Weinen – das Theater überhaupt – es hat ein Ende. Für wie lange? J. Heinrich

Kammerbuehne 2

Rika Weniger, Lisa Schürzenberger. Sigrun Fischer und Ariadne Paps (v.l.n.r.) spielen – oder besser: durchleiden – in zweieinhalb Stunden und einem 40-Tage-Seminar alle Niederungen und Schmuddeleien der Menschheitsgeschichte Fotos: Marlies Kross

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