6.30 Uhr Anstehen vorm Blauen Salon / Reparaturen bei Überlandfahrten / Verrechnungsgeschäfte:
Senftenberg (ysr). Wo einst das Kreuztor als ehemaliges Stadttor stand, flanieren heute Einkaufswilllige aus Nah und Fern über den „Kuhdamm von Senftenberg“. Namensgeber der Kreuzstraße war dabei, nicht wie die Vermutung nahe legt, das Tor, das 1848 abgetragen wurde, sondern die Kapelle „Zum heiligen Kreuz“, die auf dem alten Friedhof steht.
Einige der Kunden sind seit ihrer Jugend hier unterwegs. So auch Margot Zilz. Seit sie ein junges Mädchen war, gab sie sich in die vertrauensvollen Hände von Friseurmeisterin Ursula Gottwald. 1946 hat ihr Vater damals den Laden eröffnet. Der Damensalon war zu DDR-Zeiten der einzige in der Region, der sich nicht der PGH anschloss. „Das wollte mein Vater nicht“, so die Salonbesitzerin, die heute noch froh darüber ist. Über viele Jahre dominierte in dem kleinen Laden die Farbe Blau. Die Wände waren damals mit farbigen Folien verkleidet. „Eine private Dresdner Firma richtete damals alle Salons hier in der Gegend ein, übernahm die gesamte Ausstattung und Einrichtung.“ Aus dieser Zeit blieb in den Köpfen der Kunden noch lange Zeit der Name „Blauer Salon“ im Gedächtnis. Bereits um 6.30 Uhr morgens standen die Kunden damals Schlange. „Zehn Kunden zeitgleich waren keine Seltenheit im Salon“, so die Kreismeisterin im Schaufrisieren. 1953 erhielt sie ihren Meisterbrief, 2003 folgte der Goldene.
Auch das Fahrradgeschäft Slomka verfolgt eine lange Familientradition. Bereits in dritter Generation übernahm Dietmar Slomka das Geschäft, das sein Vater einst von dessen Vater Paul übernahm. Dieser kombinierte damals noch die Reparatur von Nähmaschinen und Zweirädern. „Als er anfing, fuhr er noch übers Land und übernahm hier und dort verschiedene Reparaturen“, so Dietma Slomka heute. Das Geschäft in dem historischen Gebäude aus dem Jahr 1899 erhielt drei Jahre nach der Wende eine komplett neue Front und einen modernen Eingangsbereich.
Ebenfalls mit der Historie der Region beschäftigt sich Heimatforscher Norbert Jurk. Als sein erstes Werk „Höhe 304“ zum Verkauf in den Regalen der Buchhandlung „Glück Auf“ stand, kamen Kunden mit Tränen in den Augen auf Inhaberin Britta Schmidt zu und sagten: „Unsere Heimat ist wieder da.“ Der Autor ist seit seiner Kindheit sehr verbunden mit seinen regionalen Wurzeln, sammelt seit jeher Zeitdokumente, Bilder, alte Postkarten und vieles mehr. Das Manuskript zu seinem neuesten Buch liegt Britta Schmidt bereits vor. „Nächster Halt Senftenberg II. Eine Reise mit der Zschipkau-Finsterwalder-Eisenbahn durch unsere Heimat“ dokumentiert die Eisenbahnstrecke, die durch eine eigene Gesellschaft betrieben wurde, mit zahlreichen Bildern und Informationen rund um Orte an den Haltepunkten. Als Britta Schmidt eröffnete, tat sie dies in einer Baustelle. „Damals wurde die Kreuzstraße gerade neu gepflastert. Die Zugänge vor den Geschäften waren eher Provisorien, da musste der ein oder andere Kunde schon mal einen kleinen Sprung wagen.“
Einen Spagat zwischen Tradition und Trend wagt Detlef Möller mit seinem Ladenkonzept. Im Rosso gibt es ein breites Medienangebot über das sich sowohl Jung als auch Alt begeistern können. Die Idee zu dem Konzept hatte der Inhaber bereits vor gut 16 Jahren. Doch umsetzen konnte er es letztlich erst vor etwa neun Jahren. „Ich betreibe ein Differenzgeschäft. Kunden können Waren vom Buch über Spiele, Filme und mehr zu mir bringen. Als Gegenwert erhalten sie einen Verrechnungsschein, den sie bei ihrem nächsten Einkauf gewinnbringend einsetzen können.“
Etwa die Hälfte des Geschäftes läuft im traditionellen Laden, die andere Hälfte läuft online über das Internet. Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Idee generationenübergreifend funktioniert. Im Eingangsbereich lädt eine gemütliche Leseecke, eingerichtet wie in einem kleinen Wohnzimmer zum Schmöckern und Verweilen ein. Künftig soll es dafür einen separaten Raum geben. Auf die Frage, was sich früher in dem Geschäft befand, zeigt sich, dass auch dieser Laden eine abwechslungsreiche Geschichte in sich trägt. „Ich meine, vorher war es ein Bürobedarf, davor ein Textilgeschäft und in den 50ern sogar ein Lebensmittelladen.
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