Auf dem Karakorum-Highway

 

Am Mansehra Pass wohnte Terror-Chef Bin Laden / Die weißen Gipfel der 7000er tauchen auf / Buddhistische Zeugnisse und christliche Kirchen.

 

Die junge Hauptstadt Islamabad und deren quicklebendige alte Zwillingsstadt Rawalpindi lassen wir hinter uns.
Ein Abstecher westwärts führt nach Taxila zum Wehrkloster Jaulian. Für 102 buddhistische Mönche war das bis zum 5. Jahrhundert eine Universität. Die steinerne Lehranstalt und Reste einer großen Stupa sind  UNESCO-Erbe, erklärt uns Achmed vor dem erbbebenfest gefügten Gemäuer. Seine Haare leuchten in grellem Rot. Lachend bestätigt er den Grund dieser Henna-Kur: Er sucht wieder eine Frau und hat sich dafür „schön“ gemacht.
Das buddhistische Kloster ist  auch  heute noch Pilgerort für die Altgläubigen. Der Islamische Staat Pakistan toleriert andere Religionen. Wir sehen auch Kirchen und Hindutempel, aber in Einzelfällen bleiben Konflikte nicht aus. Wer den Namen Mohameds respektlos im Munde führt, kann hier schnell in Lebensgefahr geraten.
Vor Taxila führt eine malerische Königsstraße bergan. Großpflaster aus dem 16. Jahrhundert. Wir bücken uns, zupfen etwas Unkraut und reiben uns einen kräftig-schwülen Duft in die Nase. Es ist Cannabis; das Hasch-Kraut wuchert hier an jedem Wegesrand.
Auf der Fernstraße, die wir bald erreichen, fehlt es. Das Asphaltband gerät zur Abenteuerstraße, von 20 000 Chinesen und 15 000 Pakistani bis in Hochgebirge hinein gebaut. Nicht ohne Opfer;  kleine Friedhöfe am Wegesrand erinnern an sie. Die Straße folgt dem wichtigsten Fluss, dem Indus, der das ganze Land von Nord nach Süd durchzieht. Er entspringt am heiligen Keilash-Berg in Tibet, ist mit 3 180 km der neuntlängste Strom der Welt und ergießt sich in riesigem Delta ins Arabische Meer. Sein graubraunes Band in tiefer Schlucht wird uns tagelang den Weg weisen. Hier, wo der Fluss noch jung ist, weitet er sich immerhin zu einem Badegewässer mit dem Versuch von Strandleben auf. Am Tarbela See warten ein Sonnenbrillen-Verkäufer (zwei Euro fuffzig das Stück) und ein  Kameltreiber mit bunt gesatteltem Tier auf Kunden. Vergeblich auch heute.
Die belebte Straße durchschneidet zunächst Abbottabad. Die gesichtslose, dicht bevölkerte Millionenstadt, Hochburg des pakistanischen Militärs mit Kriegerakademie, endlosen Kasernen und Kadettenacker, kannte bis vor sechs Jahren kaum ein Mensch in der Welt. Dann geriet sie mit „Neptune’s Spear“ in die Schlagzeilen. Eine US-Spezialeinheit erledigte Bin Laden, Symbolfigur und Anführer des islamistischen Terrors. Seit einigen Jahren hatte er mit Familie, Personal, einer Kuh und ein paar Hühnern in seiner hoch ummauerten Villa am Stadtrand kurz vor dem Mansehra Pass gelebt. Er hielt sogar Fachvorträge vor angehenden Offizieren. Die kamen, heißt es, als die US-Hubschrauber anrückten, zu spät, um ihn zu schützen. Oder waren vielleicht schon da. Die Nachrichten sind sehr widersprüchlich. Die Villa, sagen die Leute, sei nicht mehr bewohnt und mit schnell wachsendem Bambus umpflanzt, um nicht Pilgerort zu werden. Touristische Neugier gäbe es gewiss, aber es gibt keine Touristen. Jedenfalls sind uns in drei Wochen nie welche begegnet zwischen Hindukusch und Himalaja.
Der Pass beim Städtchen Mansehra hat nichts Spektakuläres. Etwa 1 000 Meter Höhe sind am frühen Abend erreicht, und bis Besham, unserem Tagesziel, liegen noch einige Stunden Fahrt vor uns. Immerhin leuchten ganz fern die ersten weißen Gipfel. 7 000er, von denen es unzählige gibt in der Region. Wir kaufen für 200 Rupies (zwei Euro) Bananen und Mandarinen ein und winken dem Überland-Bus zu. Welch eine  frohe Fuhre! Der über und über mit Ornamenten, Bildern, Kettchen, Plaketten und Tüchern geschmückte Bus ist überfüllt und  hat sogar auf dem Dach Fahrgäste. Ein Bild, an das wir uns gewöhnen werden. Reisealltag in Pakistan.
Bald geraten wir an eine Polizeisperre. Unzählige folgen. Unser Guide hat Listen mit unseren Daten vorerst zwanzigfach kopiert. Eine reicht er durchs Fenster. Kurzes Nicken. Ein Wagen mit zwei MPi-Schützen setzt sich vor uns. Gesichert folgen wir der holprigen Straße.

 

Demnächst in dieser Reihe: Die automobile Kunst