Zehntausende bejubeln täglich den indisch-pakistanischen Torschluss und das Einholen der Flaggen / Balsam für den jungen Nationalstolz.
Nach den Erlebnissen in der Bergwelt von Himalaja, Hindukusch und Karakorum sind wir im heißen Flachland in der Königsstadt Lahore angekommen. Ihre Vorstadt reicht an die indische Grenze.
Die Wagah Border, die Grenzstation zu Indien, liegt nur wenige Kilometer östlich der Stadt. Das Gebiet wurde inzwischen eingemeindet.
An jedem Nachmittag bewegt sich ein bunter Strom pakistanischer Touristen nach dort, der strengsten Sicherheitskontrollen unterzogen, nach Frauen und Männern getrennt und schließlich in einer Art Halbkreis-Stadion zusammengeführt wird. Jenseits, im indischen Grenzgebiet, vollzieht sich zur gleichen Zeit das Gleiche – allerdings in doppelt so großer Menschenmenge. Die allabendliche zeremonielle Grenzschließung erfreut sich stetig wachsender Begeisterung. Schmerzliche Momente der vor allem glaubenspolitisch definierten Trennung der Länder vor inzwischen 70 Jahren werden hier verdrängt; auch so die offenen beiderseitigen Gebietsansprüche auf Kaschmir, die völkerrechtlicher Entscheidung harren.
Hier gilt es, dem frohen Herzen in lautem Jubel Luft zu geben, den jungen Nationalstolz zu füttern. Die Inszenierung dafür ist perfekt. Die Ränge sind durchnummeriert, die Lautsprecher gut abgestimmt, die Fanfaren gerichtet. Während ein einbeiniger Soldat sich mit der grün-weißen Halbmond-Fahne an hoher Stange wieder und wieder wie ein Wirbelwind zur Musik im Kreise dreht und tosenden Beifall erntet, werden Fähnchen mit Plastikstielen im Publikum verteilt und immer wieder das gellende „Hoch-lebe-Pakistaaaaan!“ skandiert. Einige fein gekleidete Herrschaften werden in vordere Reihen bugsiert – die Ehrengäste und VIP’s, die auch in keinem Fußballstadion fehlen.
Noch ehe die Garde einmarschiert, donnert ein Platzregen nieder. Besser geht’s nicht, denn die Luft war längst über 40 Grad aufgeheizt, und es können auch 50 Grad im Schatten werden. Aber wo in unmittelbarer Nähe des Grenzzauns gibt es hier schon Schatten?
Zwei Tore stehen zwischen den Ländern: Eines mit edlen grün-schwarzen Pfosten hier, eins aus rotem Gestein drüben. Dazwischen zwei Meter Niemandsland mit den hohen Fahnenstangen. Die schmuckvollen Eisentore sind verschlossen. Jetzt treten die Langen Kerls, die durchaus an Friedrich Wilhelms Preußengarde erinnern, in Aktion. Sie erstatten Meldung, vollführen ein za-ckiges Kehrt, dann die Wende zum Tor, und mit bis über Kopfhöhe gerissenen Stiefeln stürmen zwei der Soldaten dem „Feindesland“ entgegen, vollführen Drehungen, recken Brust und Fäuste und drohen wie die Kampfhähne. Welch ein Jubel! Ohrenbetäubendes Getöse. Was hier die Soldaten in Schwarz-Weiß-Rot Zack um Zack zelebrieren, vollführen in gleicher Weise drüben die Inder in ihren khakigelben Monturen. Die Rufe schwellen hin und her. Schließlich werden die Tore zur Seite gerollt, und nach trampelnden Scheingefechten mit Ehrfurcht gebietendem Beineschwenken beginnt dann doch sehr friedlich das Einholen der beiden Flaggen. Das Publikum erhebt sich zu den Klängen der Hymne, und wir meinen feuchten Glanz in manchen der dunkel funkelnden Augen unserer pakistanischen Freunde zu sehen. Die „Operette“ hat hier ihr leicht sentimentales Furioso erreicht. Mit korrektem Exerzierschritt, die beiden Fahnenträger voran, trägt das Flaggenkommando den Landesstolz zum Kommandeur. Hoch oben von der Galerie schaut das Bild des Präsidenten gelassen auf des Volkes Glücksstunde.
Die Tore haben sich geschlossen, und in die Arena stürmen begeisterte Familien, vor allem aber Frauen und Kinder, um sich mit den Männern der Garde fotografieren zu lassen.
Schreibe einen Kommentar