Feuilleton: Alle bisschen Casanova
Feuilleton | Von CGA Verlag | 26. April 2019Anmerkungen zum Ballett von Mauro de Candia.
Cottbus. Eine Stunde lang Verführung, nichts als Verführung. Manchmal Stille, Dunkelheit, dann aufs Neue „geheimnis-volle Schönheit des Körpers im Licht des Verlangens“, wie es wunderbar treffend im Programm zu „Casanova“, dem neuen Ballett der nun eigenständigen Sparte am Staatstheater, heißt.
Der populäre Titelheld kommt nicht vor, jedenfalls nicht als Zitat oder biografisch. Choreograf Mauro de Candia (Jg.’81), als Tänzer in Monaco, Mailand und Lausanne herangewachsen und inzwischen in Italien und Deutschland als preigekrönter Tanzdichter unterwegs, spürt hochintellektuell der Lust nach, die Casanova Literatur werden ließ. Der Choreograf findet sie mit Musik von Georg Friedrich Händel, Arcangelo Corelli und Arvo Pärt bei jedem und jeder seiner Protagonisten, kultiviert Hingabe, entfaltet Verlockung und zeigt auch Brüche und Spannungen als Ertrag der Leidenschaft.
Ostersonnabend war Premiere in der Kammerbühne. Es gab nicht die rasanten Bilder, die atemlos machen, sondern, ganz im Gegenteil, weit ausholende Gesten und Figuren, beseelt vom Staunen über die Schönheit und getragen von der Schwüle der Lust. Welch ein Zauber in Bewegung und Innehalten! Es tanzen die großartigen Ana Dordevic, Immaculada Marin Lopez, Andrea Masotti, Vernira Welijan, Jhonatan Arias Gómez, Stefan Kulhawec, Raffaele Scicchitano und Andrea Simeone. Ballettmeister Dirk Neumann kann seinem Gast ein Ensemble gleich hochwertiger Begabungen anbieten, und der nimmt alles perfekt in seine Hand. Er richtet einen flächigen Bühnenraum ein, in dem sanfte Lichtwechsel die Stimmungen tragen. Ein großer Käfig ist Flucht- und Intimraum, plüschbepolsterte Theaterstühle zitieren, wie die Mäntel, die Zeit des Titelhelden und werden zu Rast-, Ausgangs- oder Konflikt-Objekten.
Genussvolles Schweigen überstürzte sich zu tosendem Beifall. Ach, wie schön! J. Heinrich