Im Tal tausender Aprikosen

170610 reisen
Scheint malerisch, ist aber Ergebnis einer Naturkatastrophe. Ein Erdrutsch verschüttete 2010 den Hunzafluss und ließ den Attabad-See entstehen. Ganze Landesteile waren nur noch per Schiff zu erreichen. Dörfer und selbst der Karakorum-Highway wurden überflutet. Jetzt versuchen Anrainer Erlebnistouren anzubieten
Foto: J. Heinrich

In den Bergdörfern sind für den Feldbau Terrassen angelegt Die Flächen reichen gerade für ein Kartoffelbeet an der Hütte.

 

Zwischen den 7000ern von Himalaya und Hindukusch folgen wir dem Karakorum-Highway nordwärts.
Sie sind atemberaubend, diese himmelhohen Giganten. Links, rechts, vorn, hinten – Gefels, kaum Grün, unten der Fluss, enge Seitentäler. Und nur diese eine Straße. Wir erreichen den Ort, an dem jeder Reisende stoppt, auch die Pakistani. Sie  posieren vor ihren Handys und haben von einem kleinen Aussichtspodest aus die drei höchsten Weltgebirge hinter sich auf einem Foto. Es ist der „Three mountains junction view point“, der Drei-Gebirgs-Knoten. Himalaya im Osten, der Hindukusch im Westen und im Norden das Karakorum-Gebirge. Unten treffen sich der blaue Gilgit- und der graubraune Indus-Fluss. Wie labil dieser Spielplatz der Riesen ist, erfahren wir einige Kilometer weiter hinter einigen Tunneln. Links unterhalb der Staße zeichnen einige Schiffchen sanfte Bugwellen in den Atta Abad Lake. Den gab es vor wenigen Jahren gar nicht. Ein Erdbeben verriegelte das Tal und erzeugte, Dörfer und die alte Straße unter sich lassend, einen natürlichen Stausee. Einige Jahre lebten Anrainer davon, die Straßentransporte auf Floßen zu verschiffen. Inzwischen gibt es den neuen Highway. Vielleicht kann der See touristisch genutzt werden. Versuche deuten sich an.
Die Piste steigt an, das Tal verengt sich, malerisch leuchtet in majestätischem Weiß der Rakaposhi Peak 7 788 Meter empor. Einer der schönsten unter den Gipfeln, schwärmen die Alpinisten. Und wie ein fürstlicher Schmuck  umgeben ihn und die anderen Berge jetzt millionenfach die zartweißen Blüten der Aprikosen. Daheim waren die Blüten, die lange vor den Pfirsichen und Kirschen aufgehen, grad wieder erfroren, wie in den meisten Jahren. Hier, im so rauen Land blühen sie fort und fort im Schutz der Felsen. Über und über sind die Felsterrassen mit dickstämmigen Pfirsichbäumen besetzt. Die grauen Häuser, flach gedeckt mit Holz, Erde und Kuhmist, sind nur von wenigen Quadratmetern ebener Fläche umgeben. Dort steht eine klapprige Kuh, vielleicht zwei Ziegen und dann grenzt ein kleiner Kartoffelacker an den Schuppen. Gras und Getreide, womöglich für Heu und Stroh, wächst hier kaum. Die  Rinder fressen im Sommer die jungen Triebe der Pappeln und im Winter getrocknete Aprikosen. Nur wenig von dem aromatischen Überfluss liegt auch als Trockenobst in den Geschäften unten im Dorf.
In Altit, der engen Wohnstatt unterhalb des Forts, scheint die Zeit seit Jahrhunderten still zu stehen. Am zentralen Platz, wo feiertags die Frauen palavernd hocken, hat moderne Denkmalpflege mit sauberer Kelle nachgeholfen, sonst aber leben die Bewohner wie seit Jahrhunderten auf engstem Raum. Auf winzigen Höfen haben aber immer noch zwei drei Aprikosenbäume Platz, unter ihnen ziehen sich die angehäufelten Kartoffelreihen hin. Die Frauen weben auf einfachen Stühlen, Männer graben oder schnitzen Instrumente.

Demnächst in dieser Reihe: Im Labyrinth der Gletscher