Das golfstromwarme Südengland, Wales, Irland und Nordirland liegen hinter uns.
Auch die äußerste Nordwestküste Schottlands profitiert noch erheblich von der Wärme des Golfstroms. Auf 57° nördlicher Breite, eigentlich eine Region für Tundravegetation, hat sich ein Herr namens Osgood Machenzie im Städtchen Poolewe in nahezu frostfreien Wintern verleiten lassen, einen Botanischen Garten anzulegen. Das war 1862. Heute, gut 150 Jahre später, können wir gewaltige Rhododendren, aber auch australische Eukalypten, chinesischen Bambus, neuseeländischen Flachs und Dickblätter aus Südafrika bestaunen. Wir legen unseren Tender an diesem Gartenwunder an – aber eigentlich nur, um den Park auf dem Wege zum echten schottischen Hochmoor zu durchqueren. Am Loch (See) Maree, dem wohl schönsten Süßwassersee Schottlands, wandern wir in festem Schuhwerk durch Flüsse und über Schwingrasen, manchmal auch Schlamm und Klippen, durch die zerklüfteten Hinterlassenschaften des Eiszeitgeschiebes. Die bewaldeten Inseln im See bezeugen, dass es hier früher auch Forste gab, die durch Siedler für die Eisenschmelze gerodet wurden und später infolge Elchüberweidung nicht mehr aufkamen. Im Hochmoor bewundern wir botanische Kostbarkeiten wie Sonnentau und Fettkraut, die fleischfressenden Räuber unter den Pflanzen (Fotos rechts).
Kapitän Engeldrum lichtet die Anker und bleibt auf Nordkurs. Bei 58°59,3’N und knapp 3°West machen wir im Archipel der Orkneys fest. Etwa 100 flache Inselchen sind das, die früher zu Norwegen gehörten und daher auch ihren Namen („Seehundinseln“) haben. Die im 9. Jahrhundert hier gelandeten Seefahrer waren aber längst nicht die ersten Siedler, wie wir auf Mainland, der größten dieser Inseln, bald feststellen. An ihrer Westküste finden wir das „Pompeji Schottlands“ – acht erstaunlich gut erhaltene Häuser einer jungsteinzeitlichen Farm, deren Blütezeit auf 3100 bis 2500 v. Chr. datiert wurde. Die vielleicht 50 bis 100 Leute, die hier gleichzeitig gelebt haben mögen, hielten schon Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine und bauten Gerste an. Sie kannten den Pflug und buken Brot. Das alles fanden wissenschaftliche Untersuchungen ab 1970 heraus. Skara Brae steht heute auf der UNESCO Welterbeliste und gilt als besterhaltene neolithische Siedlung Europas.
Entdeckt worden sind die Steinhäuser schon 1850 nach einem heftigen Sturm, bei dem viele Seeleute umkamen. Der Orkan legte unter der Düne diese Steinhäuser frei, und der Gutsherr ließ zunächst eines als Spielhaus für seine Töchter herrichten. Er baute sogar ein Fenster ein, damit die Kinder freie Sicht zur See hatten. Erst in den 1920er Jahren beschäftigten sich Forscher mit dem Fund, und noch viel später erkannte die Wissenschaft seinen wahren Wert. Inzwischen ist auch das 300 Jahre alte Gutshaus in der Nähe ein Museum.
Für Kirkwall, das alte Städtchen auf der Insel mit einer fast 800jährigen Kirche, brachte das zusätzlichen Tourismus. Der lebte bis dahin von der bei Kennern geschätzten Highland Park Whisky Destillerie und den Standing Stones, den auf ein Alter von 5000 Jahren geschätzten Steinkreisen. Die senkrecht aufgerichteten Platten bilden in gleichen Abständen einen Kreis von wohl 80 Metern Durchmesser, der von einem Graben und außerhalb einem Wall umgeben war. Die Bedeutung des Ganzen bleibt ein Rätsel. Ganz sicher war es keine Wehrburg, eher ein Kultplatz, in dem das Licht von Sonne, Mond und Sternen eine Rolle gespielt haben könnte.
Wir nehmen die offenen Fragen mit nach Edinburgh.
Nächste Folge Im Palast der Kings of Scotland
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