Reisen mit Fürst Pückler (12): Der Vesuv ist ausgebrochen

Im Sommer 1806 trat Fürst Pückler (damals noch Graf) eine Reise an, die man unter Standesgenossen die “Grand Tour” nannte.
Wer es sich leisten konnte, unternahm zur Bildung und zum Vergnügen eine ausgedehnte “Kavalierstour”,
die im 17. und 18. Jahrhundert meist Paris zum Höhepunkt hatte, auch London war möglich. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts aber kam immer mehr Italien in Mode. Auch Fürst Pückler zog es in “das Land, wo die Zitronen blüh’n”. Aber er wäre nicht Hermann der Unglaubliche gewesen, wenn es eine gewöhnliche Tour geworden wäre. Nein, mit wenig Geld nur, häufig anonym, dafür aber vergnügt und frei von Konventionen, mit einem guten Freund unterwegs, größtenteils zu Fuß, so bereiste er Österreich, Süddeutschland, die Schweiz, Südfrankreich, Italien und wieder Frankreich. Er führte ein Tagebuch und schrieb 25 Jahre später daraus seine “Jugendwanderungen”, aus denen ebenso wie aus Briefen wir hier gekürzt zitieren.

Vesuv
Am Morgen nach der Besteigung des Vesuvs besuchte Pückler noch Pompeji, das von dem großen Ausbruch im Jahre 79 verschüttet worden war. Von den ausgegrabenen Gebäuden war er enttäuscht, lediglich die Wandgemälde in frischen Farben erregten seine Bewunderung..

Anfang Januar 1809 traf Pückler in Rom ein. In der Ewigen Stadt holte ihn die reiche Gesellschaft in das süße Leben zurück: “Hier, wo sich alles vereinigt – reizende Natur, hohe Erinnerungen und Denkmale des Altertums, die höchsten Werke der bildenden Kunst, ein göttliches Klima und himmlische Weiber, um das Leben in lauter Lust und Wonne, in süßem Rausche wegzuträumen.”
Eines Tages gab General Miollis, Napoleons Statthalter, im Palazzo Doria gerade einen großen Ball, auch Pückler war geladen, da kam die Kunde vom Ausbruch des Vesuv. Mit großem Hallo brach ein Teil der Gesellschaft auf, um dem Naturspektakel aus nächster Nähe beizuwohnen.
Am Morgen nach der Besteigung des Vesuvs besuchte Pückler noch Pompeji, das von dem großen Ausbruch im Jahre 79 verschüttet worden war. Von den ausgegrabenen Gebäuden war er enttäuscht, lediglich die Wandgemälde in frischen Farben erregten seine Bewunderung.
Pückler und sein Gefährte Alexander von Wulffen stiegen zu der Gräfin Wey in die Kutsche. Über Albano und die Pontinischen Sümpfe ging es in den Süden. In Terracina wurde das Meer erreicht, weiter dann über Gaeta und Capua. Früh um fünf Uhr bezog die Gräfin in Neapel einen Gasthof, die beiden Freunde aber gingen “auf dem Molo di Chiaia. Noch lag alles in tiefer Dunkelheit, nur von Zeit zu Zeit erhellten die aus dem Krater des Vesuvs emporflammenden Feuer, wie einzelne Meteore, die Gegend.”

Neapel
Neapel vom Meer aus gesehen, rechts der Vesuv mit seinem charakteristischen Doppelgipfel. Über der Stadt erhebt sich der Posilipp, von dessen Höhen man spektakuläre Sonnenuntergänge erleben kann. Bilder vom Golf von Neapel sind der Urtyp einer Sehnsuchtslandschaft.

Besteigung des Vesuv

Zu den Dreien gesellten sich noch die Gräfin Gallenberg und der Bildhauer Schweigel, abends, elf Uhr, begann das Abenteuer. Bis Portici fuhren sie mit der Kutsche, von dort ritten sie auf Eseln weiter. Bei einem als Einsiedler verkleideten Gastwirt wurde ordentlich Marschverpflegung geladen – etliche Flaschen Christustränen (Lacrime Christi, ein sehr trockener, starker Rotwein). Heiter wurde die Nacht, als die schöne Gräfin Gallenberg von ihrem Esel abgeworfen wurde, “auf eine Weise, die unsere Künstleraugen entzückte und unser Herz klopfen machen mußte.” Doch folgen wir Pücklers Bericht: ” Die letzte Viertelstunde mußten wir zu Fuß sehr steil an loser Asche hinan klimmen. Wir hielten uns an einem breiten Riemen an unseren Führern fest, kamen aber alle sehr ermattet oben an. Wie sehr hielten wir uns aber für alle ausgestandene Mühe belohnt. Der tief eingesunkene schwarze Kessel mochte ungefähr eine Viertelstunde im Umfang messen. Die Explosion fing jedes mal mit einem dumpfen unterirdischen Donner an.

Plötzlich erhob sich eine Feuergarbe, aus Millionen Funken und Tausenden glänzender Sterne bestehend, turmhoch in die Luft. Wir begaben uns jetzt nach einem anderen Teil des Berges, wo sich neben uns die Lava zischend hinab ergoß.” Die Tour endete mit einem naturwissenschaftlichen Experiment: die geleerten Weinflaschen wurden in die Lava geworfen, wo sie “in demselben Augenblick geschmolzen mit dahin flossen”.

Aussicht
Schon auf der Reise war Pückler entzückt: “Bezaubernd ist die Aussicht von Molo di Gaeta auf die Festung, das Meer und die umliegenden Felsen; weite Orangengärten bedecken einen großen Teil des Ufers und die alte Villa des Cicero.”

Julie von Gallenberg

Von Neapel bekam Pückler sonst nicht viel mit, nur kurz erwähnt er das Grab des römischen Dichters Vergil, die prächtige Via Toledo und den Farnesischen Stier. Letzterer stand vor seinem Gasthof auf der Promenade della Villa, heute Villa Communale, von dort gelangte die Plastik ins Archäologische Nationalmuseum. Auch die herrliche Umgebung, die schönste Küstenlandschaft der Welt, nahm er kaum wahr. Nein, Kunst und Natur waren nur die Kulisse für einen Vulkanausbruch der anderen Art – Pückler hatte sich verliebt, vielleicht das erste Mal in seinem Leben. Ziel seiner Begierde war Julie Gräfin von Gallenberg, die schöne Freundin Beethovens, der ihr seine Mondscheinsonate widmete. Gräfin Gallenberg (1784-1856), die “abwechselnd seine Neigung befriedigte oder seine Eifersucht rege machte”, war verheiratet und hatte zwei Kinder, doch das kümmerte ihn wenig. Dennoch – die Festung wollte erst mit aller Liebeslist belagert sein: “Angebete Julie, verfolgt von einer Leidenschaft, der ich zu widerstehen unfähig bin…”

 

 

 

Bajae
Blick auf Bajae, einem Küstenort westlich vor Neapel. Vor dieser Kulisse spielte sich eine kleine Seeschlacht ab, die Fürst Pückler vom Balkon des russischen Botschafters von Bibikoff beim Diner beobachtete.

Ja, Pückler wusste schon, was Frauenherzen erweicht, doch diesmal war das oft Geprobte echt. “Wer geliebt hat, der allein hat gelebt – bis jetzt hat nur Sinnenrausch und Eitelkeit im Gewirre der Welt meinem Herzen Liebe vorgelogen, Sie anzubeten war für mich zuerst die wahre Liebe, des Himmels schönste Tochter.” Doch es war wie so oft – Julie hatte kein Geld mehr, Pückler hatte auch keines, also musste er zurück nach Rom zu seinem Bankier, und alles kam anders. Tief im Herzen aber bewahrte Fürst Pückler immer ein Gedenken an die zauberhafte Zeit in Neapel. Und wie nannte er zwanzig Jahre später in seinem ersten Buch seine geliebte Frau – Julie!!! Wieder zwanzig Jahre später trafen sich beide in Wien – der strahlende Weltmann und eine freundliche Matrone, der Vulkan erwachte nicht wieder.
Siegfried Kohlschmidt

Weitere Beiträge aus unserer Region finden Sie hier!