Machbuba und die Wiener Netzwerke

Anmerkungen zu eine Publikation im Magazin „WienMuseum“ vom Januar 2024.

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Karthum, die Hauptstadt Sudans, im Jahre 2016. Hier in der Mitte der Stadt befand sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts jener große Sklavenmarkt, auf dem Pückler Machbuba kaufte, außerdem „einen kompletten Harem“ für seine männlichen Begleiter. Zum Gebäude im Mittelgrund notierte Pückler im Jahre 1837: „Eine erst halbfertige Moschee aus gut gebrannten Klinkern und mit einem hohen Turme versehen verspricht sogar ein schönes und würdiges Gebäude zu werden.“ Foto: Jürgen Heinrich

Selbst auf die Gefahr hin, das Thema Machbuba wie einen Gaul totzureiten, kann ich der Versuchung nicht widerstehen, auf den entsprechenden Beitrag “Hoffte Pücklers Machbuba auf Bildung und Karriere” im „Boten“  einzugehen.
Auch in Wien wird also zum Schicksal Machbubas, Pücklers afrikanischer Gefährtin, geforscht. Immerhin verbrachten der Fürst und seine fünfzehnjährige abessinische Begleiterin über ein halbes Jahr in der Donaumetropole. Zur Erhellung des letzten Lebensabschnitts Machbubas ist m. E. ihr Wienaufenthalt wirklich von außerordentlicher Bedeutung. Die Pücklers waren hier in der Oberschicht keine Unbekannten. In der Presse wurde ausführlich über das exotische Paar berichtet. Diese Texte sind noch wenig ausgewertet worden.
Dass Machbuba nicht ungebildet war, beweisen u.a. ihre erhaltenen Briefe, die uns Pücklers Biografin Ludmilla Assing (1821-1880) überlieferte. Diese sind teils in italienischer, teils in französischer Sprache verfasst. Doch ist es realistisch zu glauben, Machbuba wäre an der Seite von Pückler und Lucie in Preußen glücklich geworden? Wollte sich unser Fürst etwa so etwas wie „Kammer- oder Hofmohren“ zulegen, wie seit dem 18. Jahrhundert in Adelskreisen üblich? Pückler beschäftigte auch Billy Masser, seinen Zwerg! Nach der großen Revolution der Franzosen von 1789 war dies im mit Blut gewaschenen Europa auch nicht mehr kritiklos zu zelebrieren. Zudem kollidierten in dem Dreiecksverhältnis Hermann, Machbuba und Lucie (des Fürsten pro forma geschiedene Gattin) auch Standes-Schranken. Außerdem war Pückler ab 1840 Katholik. Die Umstände von Machbubas frühem Ableben bleiben aus meiner Sicht noch immer im Ungefähren. Lucie wollte die „Kindsfrau“ ihres Lou jedenfalls nicht im Neißetal haben. 1840 war sie 64 Jahre alt und sollte sich ihren Hermann, 55 jährig, mit einer Fünfzehnjährigen teilen. Zudem stand zu diesem Zeitpunkt auch der Verkauf der Standesherrschaft Muskau zur Debatte. Lucies gesamtes Vermögen steckte im fürstlichen Zaubergarten. Unter ihrer Regie und in Eigenständigkeit schuf sie (in Abwesenheit Pücklers) den Badepark, auch als Hermannsbad bekannt. Ein Skandal kündigte sich mit dem mehrfach aufgeschobenen Eintreffen des Fürsten in Muskau/Preußen an.
Im Jahrbuch Nr. 8, NIEDERLAUSITZ zwanzig-vierundzwanzig, Cottbus 2023, gibt es weiter Denkanstöße zum Thema (S. 185 ff.).
Bleiben wir in Wien und werfen einen Blick auf Vernetzungen. Welche Rolle spielte Dr. Freund, Leibarzt des Fürsten von Metternich? Er begleitete Machbuba bis in die Muskauer Pücklervilla im Badepark.
Der österreichische Staatsmann Fürst von Metternich (1773-1759) hatte eine Liason mit der Herzogin Wilhelmine von Sagan (1781-1862) in Niederschlesien – eine lange Kutschfahrt entfernt von Muskau (ca. 60 km) – man kannte sich. Pücklers Hand ist im dortigen etwa 200 Hektar großen Park bis heute sichtbar. Wilhelmines Schwester war die berühmte Herzogin Dorothea von Sagan (1793-1862). Friedrich von Gentz (1784-1832), Sekretär und Berater Metternichs, war von einer der drei Saganer Schwestern abgewiesen worden. Gekränkt sprach er von der „Churländischen Huren Gesippschaft“. Dorothea wandte sich dem französischen Staatsmann Talleyrand zu.
Melanie von Metternich (1805-1854) bekam im Jahr nach Machbubas Tod von Pückler mehrere Orientteppiche geschenkt. Biografin Assing veröffentlichte den Briefwechsel zwischen Melanie Metternich und Pückler-Muskau. Hinzu kommt eine weitere wichtige Figur, um deren Hilfe zur Skandalabwendung Lucie ersuchte: Wilhelm Ludwig Georg Fürst zu Sayn-Wittgenstein (1770-1851), preußischer Staatsmann und Vertrauter des Königs. Seine Mutter, Friederike Luise Charlotte, geb. Gräfin von Pückler-Limburg (1746-1772) aus einem anderen Zweig der Pücklers war mit Metternich seit Jahrzehnten vertraut. Lucie hatte also viele Möglichkeiten, heraufziehenden Skandal abzuwenden. Und er wurde abgewen- det! Machbuba starb einen Monat nach Ankunft in Muskau. Der Verkauf der Muskauer Standesherrschft wurde von der Tagesordnung genommen. Alle Überlebenden waren zufrieden… Lucie hat verfügt, ihren Briefwechsel von 1817 (dem Jahr ihrer Hochzeit) bis 1839 zu verbrennen.
Als 1846 der scharfzüngige Dichter Alexander von Sternberg (1806-1868) in seinem ironischen Märchen „Tutu“ den Fürsten Pückler nach allen Regeln der Kunst als „Johann ohne Land“ verspottete, war darin auch Machbuba selbst zur Karikatur verkommen. Es ist also aller Ehren wert, wenn jetzt die Wiener Ethnologin Kerstin Volker-Saad unseren Blick auf die Persönlichkeit Machbubas lenkt. Luis Schöpfwasser