Beim Schichtwechsel standen die Ikaruss-Busse bereit / Ein wenig Nostalgie.
Es gab diesmal Vergleiche zwischen den Hauptgebäude des Textilkombinates in Cottbus, für das sich mehrere Leserinnen entschieden, und dem des CFG. Reinhard Semt aus Cottbus liegt richtig: „Chemiefaserkombinat Guben. Das Verwaltungsgebäude des TKC in Cottbus sieht ähnlich aus, aber der dortige Anbau ist niedriger und auch die Länge des Schriftzuges passt nicht.“
Im Detail kennt sich der Gubener Arno Schulz aus: „Gesucht wird das ehemalige Verwaltungsgebäude des Chemiefaserkombinates. Bereits vor 60 Jahren wurde mit dem Probebetrieb begonnen. Dederon, Reifenkord usw. waren begehrte Produkte. In dem Betrieb waren rund 7000 Leute beschäftigt, darunter Vertragsarbeiter aus Vietnam, Kuba, Mosambik und Polen. Bis auf das mittig stehende kleine Gebäude ist der einstige Verwaltungssitz, im Volksmund wegen der Farbgestaltung als ‘Blaues Wunder’ benannt, ungenutzt und verrottet so langsam. Das Werk wurde nach der Wende zerschlagen und privatisiert. Nur noch wenige Beschäftigte arbeiten dort.
Das Chemiefaserwerk wurde auf dem Standort der einstigen Rüstungsfabrik der Rheinmetall Borsig AG errichtet. Die nahm hier erst 1940 die Produktion auf. Rund 4500 Beschäftigte bauten Handfeuerwaffen, aber auch Einzelteile für Maschinengewehre und Bordwaffen. Etwa die Hälfte der Beschäftigten waren Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene aus Frankreich, Holland, Polen oder der Sowjetunion. Während für deutsche Mitarbeiter in der Sprucke moderne Wohnbauten entstanden, waren die Zwangsarbeiter in Barackenlagern untergebracht. Für die Produktion waren sechs Hallen aus Stahlbeton errichtet worden, die auch Luftangriffen standhalten sollten. Nach dem Krieg wurde das Werk demontiert und die Ausrüstung in die Sowjetunion verbracht. Um Baufreiheit für das Chemiefaserwerk zu schaffen, wurden Ende der 50er Jahre Hallenreste gesprengt und abgetragen.“
Gert Richter aus Guben, Alt-Deulowitz, ergänzt: „Für mich als Gubener kommt durch den Ikarus-Buss, beherrschendes Modell der 1970er Jahre, Nostalgie auf. Das Chemiefaserkombinat Guben hat seine Entstehung der 1. Chemiekonferenz in Halle am 3. und 4.11.1958 zu verdanken. Am 20. Januar 1959 wurde in Berlin auf Grund des vorhandenen Textilarbeiterstammes, der Nähe zur Kohle und des Vorhandenseins eines erschlossenen Industriegeländes der Standort Guben festgelegt. Am 7. Mai 1960 fand die Grundsteinlegung mit Herbert Warnke auf dem ehemaligen Borsig-Gelände statt. Es mussten 45.000 Kubikmeter Mauerwerk und Fundamente gesprengt und 100.000 Kubikmeter Schuttmassen beräumt werden. Im Frühjahr 1961 wurde mit den Fundamenten des Kraftwerksblocks begonnen, Anfang des 2. Quartal 1962 mit dem Bau des 130 Meter hohen Schornsteins. Richtfest war am 1.8.62. Am 1. Oktober 1964 war Beginn des Probebetriebes mit mehr als 2.000 Beschäftigten.“
Klaus Reiter aus Cottbus erkannte: „Ihr habt aus dem Bild von 1978 ‘Chemiefaser’ rausgeext. Das Verwaltungsgebäude wurde bei uns auch Blaues Wunder oder Faultierfarm genannt. Damals hatte der Betrieb noch die Kampfgruppe und Unterkünfte für kubanische und afrikanische Gastarbeiter. Ihm waren eine Poliklinik, Berufsschule, Betriebsfunkstudio, Sparkasse und ein großer Parkplatz mit Busstation angeschlossen. Es wurde Teppichgarn, Seide, Angelschnur und vieles mehr hergestellt. Zu diesem Betrieb fuhren sechs Stadtlinien; bei Schichtwechsel war Hektik angesagt.“
Auch Herbert Ramoth aus Cottbus weiß: „Der komplette Schriftzug lautet VEB CHEMIEFASERKOMBINAT und das steht natürlich in Guben. Es war das Verwaltungsgebäude, auch als Blaues Wunder bezeichnet (wegen der Fassadengestaltung), und, wie bei solch großen Büros oft üblich, es war auch die Bezeichnung Faultierfarm im Umlauf. Aber wäre ohne die Leute an Schreibtischen der Plan erfüllt worden?“
Mit Fakten und Zahlen kann Jens Pumpa aus Cottbus dienen: „1976 wurde dem Werk der Name ‘Herbert Warnke’ verliehen. Der Probebetrieb für Dederon Feinseide wurde am 21. September 1964 begonnen und am 1. Oktober offiziell für funktionsfähig erklärt. Der Begriff DEDERON entstand bekanntlich als Kunstwort – in Abgrenzung zum westlichen Perlon – DeDeR“ plus Endsilbe -on.
Jährlich wurden 40.000 Tonnen Chemiefasern produziert. Bis zur Wende hatte der Betrieb etwa 8000 Beschäftigte.“
S. Sachse mailt diesmal: „Ich weiß nicht, ob die Dederon-Hemden auch aus Gubener Kunstseide bestanden. Sie waren jedenfalls furchtbar, praktisch auf der Haut untragbar. Hingegen hatte die Faser für Raumtextilien und andere Zwecke höchste Qualität. Die „Orient“-Teppiche aus Gubener Faser waren schön, preiswert und praktisch unverwüstlich. Noch heute tut einer – nach mehr als 50 Jahren! – als Spielplatz bei unseren Enkeln beste Dienste. Bravo Guben, die Firma hätte weiter produzieren sollen.“
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