Cottbus. Die Jahrstraße im Herzen von Cottbus wurde vor 33 Jahren durch das Warenhaus „Konsument“ überbaut
Bilder aus dem alten Cottbus | Von CGA Verlag | 20. Februar 2011Ein Warenhaus auf der Jahrstraße / Straße zwischen Synagoge und Realschule nach Oberbürgermeister benannt
In gewisser Weise sind alle drei Fragebuchstaben richtig. Denn in allen drei Fällen handelt es sich um verschwundene Straßen, die „großflächig“ überbaut wurden: Statt der Jahrstraße steht Galeria Kaufhof in der Stadtmitte, statt er Roßstraße (bis auf das Rudiment südlich der K.-Liebknecht-Straße) haben wir das Blechen-Carré, und wo einst die Kapellenstraße verlief, haben sich die Bauleute schon zweifach ausgetobt – erst stand dort das Hotel „Lausitz“, inzwischen die Spree-Galerie.
Aber gefragt war natürlich die Jahrstraße mit ihrer Tragik. Hier stand einst die Synagoge (etwa Bildmitte hinterm Zaun), die im November 1937 angezündet wurde. Ab Ende 1965 wurde hier alles abgerissen und 1968 das „Konsument“-Warenhaus eröffnet. Damit war leider die Aufarbeitung der Geschichte der jüdischen Gemeinde in Cottbus zu DDR-Zeiten kein Thema mehr. Zum Glück hat der Cottbuser Horst Jurisch dieses Stadtmotiv dokumentiert.
Zu dem Bild schrieb uns Isolde Hüsges: „Wieder ein hoch interessantes Foto am vergangenen Wochenende. Es handelt sich hierbei um den Blick von der heutigen Karl-Liebknecht-Straße in die Jahrstraße, die in die Rudolf-Breitscheid-Straße mündet. Auf der rechten Seite zu sehen ist ein großes Haus, wo damals der sehr bekannte und beliebte Arzt Dr. Saretz seine Praxis hatte. Auf der Ansicht dieses Hauses war ein großes Bild von der Cottbuser Postkutsche mit dem Zungenbrecher: Der Cottbuser Postkutscher putzt den Cottbuser Postkutschkasten.
Zur linken Seite hatte man den Blick auf den Schulhof der früheren Realschule beziehungsweise später 7./12.Grundschule.
In dieser Straße – ob nun links oder rechts, da kann ich mich nicht mehr recht besinnen, stand auch die Synagoge, die der Nazibarbarei zum Opfer fiel.“
Claus-Peter Wrüske mailte uns seine Antwort: „Mit Freude lese ich den Märkischen Boten und mit besonderem Interesse verfolge ich die Reihe der Bilder aus dem alten Cottbus.
Das Bild in der letzten Ausgabe zeigt eindeutig die Jahrstraße. An das Haus auf der rechten Seite erinnere ich mich sehr
genau. An der im Blick stehenden Wand prangte eine riesige Darstellung mit dem Cottbuser Postkutscher. Und wenn ich mich recht entsinne, war auch der Zungenbrecher über das Cottbuser Original verzeichnet, den der leider viel zu früh verstorbene Eberhard Fischer so eindrucksvoll zelebrieren konnte. Die Jahrstraße wurde ja vollständig abgerissen, obwohl dafür eigentlich keine Notwendigkeit bestand, aber auch das ist Geschichte.“
Jürgen Klingmüller: „Die Jahrstraße ist nach dem Cottbuser Oberbürgermeister Leopold Jahr (1850-1880) benannt. Auf der freien, eingezäunten Fläche (rechts im Bild) stand die Cottbuser Synagoge. Sie wurde in der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 von den Nazis in Brand gesetzt. Entworfen und erbaut wurde sie von der renommierten Baufirma Hermann Pabel. 1902 wurde das prächtige Gotteshaus geweiht. Heute erinnert eine Gedenktafel in unmittelbarer Nähe des Verwaltungsgebäudes der Stadtwerke an das Verbrechen von 1938. Links im Bild ist etwas vom Hof des damaligen VP-Kreisamtes zu erkennen.“
Susanne Haupt hat ebenfalls die Jahrstraße erkannt: „Die stattlichen und zur damaligen Zeit noch gut erhaltenen Wohnhäuser in der Mitte des Bildes hatten leider keine Überlebenschance. Sie mussten in den 60er Jahren dem Bau des ehemaligen ‘Konsument’- Warenhauses, jetzt ist hier Galeria Kaufhof, weichen.“
Unsere Leser haben sich alle für die Lösung „Jahrstraße“ entschieden. Auch Horst Hauptmann sandte uns diese Auflösung mit seinen Erinnerungen. „Die Jahrstraße begann an der Ostseite des heutigen Service-Center-Gebäudes der Stadtwerke Cottbus. Sie verband die Karl-Liebknecht-Straße und die August-Bebel-Straße. Mit dem Neubau des Konsument-Warenhauses ist sie vor 33 Jahren leider verschwunden. An der Westseite des Straßenverlaufs befand sich das Areal der Paul-Werner-Schule.“