Dr. Gustav Moritz: Arzt und Slawen-Dichter

Um 1968: Abriss der Stadtsäle in der Roßstraße. Weiter links, Ecke Bismarckstraße, wohnte Dr. Gustav Moritz
Um 1968: Abriss der Stadtsäle in der Roßstraße. Weiter links, Ecke Bismarckstraße, wohnte Dr. Gustav Moritz

Am kommenden Sonnabend jährt sich zum 125. Male der Todestag eines wohl ganz vergessenen Cottbuser Arztes. Dr. Gustav Moritz wohnte und praktizierte, vorwiegend homöopathisch, in der Roßstraße 30, mitten in Cottbus also, wo jetzt das Chaos der Brache herrscht. Unweit von den legendären Stadtsälen südlich der Post, stand sein Wohnhaus an der Ecke Bismarckstraße (die heutige August-Bebel-Straße jenseits der Wohnscheibe).
Dr. Moritz, der zwei Wochen vor seinem 56. Geburtstag starb, hat einige Jahrzehnte seine Patienten betreut, und er war in einer Nebenbeschäftigung dem Interesse an seinen slawischen (wendischen) Nachbarn, alter Geschichte und der Dichtkunst verfallen. Besonders inspirierte ihn die „Chronik Fredegars und der Frankenkönige“ des Leonberger Historikers Dr. Otto Abel (1824-’54), aus deren dritter Auflage (Leipzig 1888) er sich in Cottbus ein Buch kaufte. Moritz versenkte sich tief in die Geschichte der Kämpfe der slawischen Stämme um ihre Freiheit gegen die germanische Unterwerfung.

Gustav Moritz wäre begeistert gewesen, hätte er eine Slawenburg wie in Raddusch erleben können.
Gustav Moritz wäre begeistert gewesen, hätte er eine Slawenburg wie in Raddusch erleben können.

Er schilderte nun in seinem eigenen Buch „Samota Samo, der Franke“ die Freiheitsbestrebungen der unterdrückten Westslawen, beschrieb harte Kämpfe, aber auch die Möglichkeit des friedlichen Nebeneinanders und Miteinanders. Bei ihm gibt es 641 ein Bündnis des thüringischen Herzogs Radulf mit slawischen Stämmen, die sich 623/624 unter Samo vereint hatten. Tatsächlich aber hat Radulf die Slawen im Kampf unterworfen. Moritz wollte, dass alles friedlich ablief, sah den fränkischen Germanen an der Spitze eines glücklichen Slawenvolkes. Mag sein, dass er der slawischen Sprache und Kultur, die im 19. Jahrhundert besonders in den Städten, zunehmend aber auch auf dem Lande, unterdrückt wurde, beistehen wollte.
Sein Buch erschien tatsächlich 1895, aber es ist, wie sein Autor, heute vergessen. Immerhin erschien noch im Todesjahr des literarisch beseelten Arztes eine Sammlung seiner „Spreewaldlieder“. Mit der Erinnerung an Dr. Gustav Moritz sei hier angedeutet, dass es im wirtschaftlich gerade aufbrechenden Cottbus auch ein reges schöngeistige Klima gab, deren Träger sich, wie anderswo, auch hier in Casino-Vereinen oder auch Logen trafen. Auch die Erforschung der Slawenburgen, etwa in Zahsow, Raddusch und anderswo, war schon lebhaft im Gange. H.

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