Osterberg war fürs erste Auto zu steil / Lindengraben verlief parallel zur Neiße / Häuser von Persönlichkeiten
Diesmal war die Lösung nicht ganz so einfach. Doch Armin Erdmann tippte richtig auf den Lindengraben: „Der Blick geht nach Westen. Hinten links ist die Klosterkirche zu sehen, rechts der Schornstein gehört zur Tuchfabrik C. Lehmann Witwe & Sohn.“
Otto Schulze ergänzt: „Die Aufnahme könnte 1938 gemacht worden sein. Standort des Fotografen ist der Kreuzungsbereich Königsstraße und Kastaniengraben. Ich erinnere mich, dass der Schornstein von C. Lehmann einer der höchsten der Stadt war und bis zu 50 Zentimeter an der Mündung schwankte. Das Gebäude in der Mitte des Bildes ist die Commerz- und Privatbank. Gleichzeitig war hier der Zugang zum Buttermarkt, wo auch die alte Stadtschule stand. Außerdem ist auf dem Markt ein Arbeitsamt gewesen, Leiterin war meine Tante Liesbeth Hamdorff, die Tochter vom Sohn des Direktors Dr. Hamdorff. Rechts hinten, leider nicht mehr erkennbar, war die Jungfernbrücke, dort geht es in die Grüne Wiese.
Weiter hinten folgt eine weitere Kreuzung, nicht mehr zu sehen. Links geht’s in die Haagstraße, rechts zum Kirschmarkt mit der Crossener Straße. Weiter geradeaus zum Osterberg. Dort gab es damals ein Unglück. Das erste Gubener Auto der Kohlenhandlung Georg Otto Schulze ist hier abgebrannt, weil die Steigerung zu stark war.
Vorn links das schöne Haus mit den Säulen könnte vom Baugeschäft Jochinsen sein, da bin ich mir aber nicht sicher. Ganz vorn rechts im großen Haus war ein wunderbar gekachelter Fischladen Michaelis zu finden. Die anderen Häuser waren eher Wohnungen.“
Bärbel Koschack fand heraus: „Auf dem Foto erkennen wir die heutige Roosevelt-Straße um 1913. Der frühere Stadtgraben vor der Stadtmauer wurde 1835 trockengelegt und als Straße verfestigt, später bebaut. Der Graben war mit Linden bepflanzt, daher der Name. 1904 gab es erst 22 Häuser. Der Lindengraben verlief ab Neißebrücke parallel zur Neiße, dann parallel zur Lubst bis zur Königstraße. Hinter den Häusern rechts verläuft die Lubst. Das erste Haus links war 1920 die Nr. 30. Ein Wohn- und Geschäftshaus, welches zu dieser Zeit dem Charlottenburger Herrmann Kistel gehörte. Im Haus wohnten unter anderem Dr. Max Bloch, Landgerichtsrat, und der Kaufmann Karl Köhler. Später kaufte es der Kaufmann Walter Schnierstein. Seine Nachfahren wohnen noch heute in Guben. Im Haus hatte Dr. Ulrich Balzer zu dieser Zeit seine Praxis. Ebenso wohnte hier 1936 der Kaufmann Max Calliesz. Im Haus dahinter links, Nr. 26 (nach der Küstergasse) war 1920 eine Vereinsbank. Auf der rechten Seite sieht man prächtige Bürgerhäuser aus der Gründerzeit. In der Nr. 10 wohnte der Fotograf Richard Simon. Er hatte nach 1945 sein Atelier in der Alten Poststraße Nr. 1. Am Giebel der Nr. 20 erkennt man einen Schriftzug ‘Vorschussverein’. Den gab es 1904 in der Nr. 15, als es nur 22 Häuser gab. ‘Vorschussverein zu Guben’ bedeutete ‘eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht’, ein Kassenlokal (laut Adressbuch von 1904).“
Przemyslaw Tokarek mailt: „Recht befinden sich die größten alten Häuser Gubins. An Stelle der zwei kleinen befindet sich eine Bushaltestelle. Am ersten Mai führte durch diese Straße der Umzug, links befand sich die Ehrentribühne. Das war in den 1980er Jahren. Die Straße ist auch in der Deutschen Wochenschau vom März 1945 zu sehen, ein Panzer fährt Richtung Crossener Straße.“