
Die recht unscheinbare, ländlich anmutende Straße auf unserem letzten Rätselbild hat eine wahre Flut an Anrufen und Zuschriften ausgelöst. Besonders gefreut haben wir uns über die vielen Details und persönlichen Erlebnisse.
Elisabeth David schreibt: „Das ist die Winkelstraße. Das war mein Arbeitsweg von der Kleinen Kirchstraße zur VEAB, dem Vereinigte Erfassungs- und Aufkaufbetrieb für pflanzliche und tierische Produkte. Das kleine Haus stand damals nicht mehr, da hab ich 1961 Aufbaustunden als Lehrling gemacht.
Zu DDR-Zeiten befand sich hier das Modehaus Elite, und davor war immer Markt – Schuhe, Textilien, Frischwaren.“
Dietrich Kühn ergänzt dazu: „Die Winkelstraße erkenne ich an den Häusern, dort bin ich groß geworden. Das war die Straße in Richtung Hutfabrik Lischner. Der Blick geht in die Frankfurter Straße. Das Haus links, das Gelände gehörte nach 1945 dem Fuhrunternehmer Karl Ziesche, heute ist dort die Spedition Wilhelm Wilke untergebracht. Auf der rechten Seite geht es rechts in den Lohmühlenweg. Vorne rechts am Bildrand war eine Gartenanlage, heute führt dort die Gubiner Straße zum Grenzübergang entlang. Dahinter in der gleichen Straße waren von 1950 bis zur Wende die Grenztruppen stationiert, heute ist dort das Zoll-Kommissariat untergebracht und alles renoviert – man erkennt es kaum wieder.“
Auch Renate Frei ist hier aufgewachsen: „Links stand eine Schmiede und dann ging es weiter hinter zur VEAB. Mein Vater hat da gearbeitet, und wir hatten eine Betriebswohnung. Links davon war die Grenzpolizei untergebracht, die haben immer die Neiße bewacht. Als Kinder haben wir Schiefertafeln über den Fluss geworfen, weil wir Adressen von den Polen haben wollten, die flogen aber nicht weit und die Grenzer haben uns dann Einhalt geboten. Das durfte nicht sein…“
Mehr persönliche Erinnerungen schildert Hannelore Hentschel: „In dem großen Haus vorn links haben wir von Mai 1955 bis November 1965 im 1. Stock über der Toreinfahrt gewohnt, eine Stube mit Küche. Die Toilette war eine Etage tiefer, und Wasser mussten wir zu bestimmten Zeiten bei unserem Nachbar-Fräulein holen. Es steht heute nicht mehr. Vom Wohnzimmerfenster konnte ich die Neiße sehen. Am Ende der Winkelstraße befand sich der Bauernhof von Ziesches. Auf der anderen Seite waren Grenzsoldaten stationiert, die hatten dort auch eine Badestelle in der Neiße, an der auch ich schwimmen lernte. Es war wirklich schön in unserer Winkelstraße.“
Und auch Gabriele Krüger kennt die Straße seit ihrer Kindheit, erzählt sie am Telefon: „In den 1950er-Jahren bin ich Haus Nummer 5 geboren, es ist nicht mehr auf dem Foto zu sehen und stand direkt im Winkel. Das Haus Nummer 4 ist rechts zu sehen, hier wohnte Familie Fröhlich. Hier gab’s jeden Morgen einen Löffel Honig aus eigener Produktion. Dahinter befanden sich Lager und Garagen, die zu Arno Schefter gehörte, er war Rundfunk-Ladenbesitzer. In der ganzen Straße haben lauter liebe Menschen gewohnt, fast in jedem Haus hatte ich Freunde.
Ab und zu mussten wir Kinder die Getreidekörner auflesen, wenn wieder einmal der ‘Kuhlemeyer’ über das Pflaster holperte. Auch Kohlen und Pferdemist, die von den Wagen fielen, mussten wir einsammeln.
Links durch das Eisentor ging es zu einer Ruine, hier haben wir gern gespielt. Der Keller war leider geflutet und schien auch unter der Straße weiterzuführen.“
An einen besonderen Handwerker erinnert sich Dirk Seefloth: „Links, im zweiten Haus von vorn befand sich die Schlosserei Graboski (Schreibweise unbekannt – d.Red.). Er hat als einziger in der Region Stahltresore gebaut!“
Weitblick beweist Rosemarie Nehrlich: „Das Haus, was geradeaus zu sehen ist, müsste das Gasthaus ‘Grüner Baum’ sein.
Dafür steht heute ein Haus mit NKD, früher Elitemoden. Im Haus an der Ecke rechts hatte sich nach 1945 Eisen-Schulze etabliert, rechts im Eckhaus der Optiker Herrmann, heute Optiker.“
Auf die von Gabriele Krüger angesprochene unbekannte Ruine geht Walter Bräuer ein: „Links stand die ehemalige Strumpffabrik von Steinkes. Im Krieg ist diese vollkommen zerschossen worden. Hier wurden auch Sachen für die Wehrmacht hergestellt. Heute gehört das Gelände zur Spedition Wilke.
Dort, wo der Kastanienbaum steht, war Schmiedemeister Karl Weigert zu finden. Weiter, links, war Optikermeister Schötz. Auf der rechten Seite war ein Schiebetor zu sehen, es gehörte zur Holzwerkstatt und Lager der Polsterfirma Kramm. Hinter dem Wohnhaus hatte Orthopäde Hugo Röhricht sein Geschäft. Er fertigte unter anderem Protesen aus Pappelholz, weil es so leicht ist. Gewohnt hat er gleich gegenüber im Eckhaus an der Frankfurter Straße, in dem früher Eisen-Schulze, wie er im Volksmund genannt wurde, seine Eisenwarenhandlung betrieb. Ein echter Fachmann, dessen Rat und Wissen sehr gefragt war.“
Herzlichen Dank allen Ratefreunden.
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