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Historisches Guben: Die Tuchfabrik Lehmann & Richter

Bilder aus der alten Neißestadt Guben | Von | 23. Dezember 2022

Luftbild Fabrikanlage

Das Luftbild zeigt Fabrikanlagen in Guben.

Die Niederlausitz war bis 1990, mehr noch vor 1945, Hochburg der Textilwirtschaft. Stattliche Fabriken standen und stehen jetzt noch, anderweitig genutzt, in den Städten. Manfred Gnida vom Weinberg in Spremberg kennt sich in Guben gut aus: „Das Luftbild zeigt eine heute geteilte Stadt, deren Hut- und Tuchmacherindustrie bekannt ist. Wie Spremberg und Forst hier in der Niederlausitz zählte auch Guben zu den Hochburgen der Textilwirtschaft. Zu sehen ist an der Alten Poststraße, Ecke Uferstraße die Tuchfabrik Lehmann & Richter, von 1953 bis 1992 als VEB Gubener Wolle, Werk IV, betrieben. Schon seit 1890 stand die Fabrik, 1924/25 kam der 40 Meter lange Anbau hinzu. Bekannte Tuchfabriken in der Stadt waren auch Reißner & Wohl, Salewski & Rabe, F.W. Schmidt, W. Wolf, F.M. Huschke, H. Schemel sowie C. Lehmanns Witwe und Sohn. Im Hintergrund erkennt man eine Villa von Otto Lehmann und Albert Richter, dann Richter und Engel; Engel war Teilhaber der Fabrik. Die Villa in der Alten Poststraße 23 wird heute vom Plastinator Hagens genutzt. Die ehemalige Tuchfabrik ist ein Baudenkmal und dient als Herstellungs- und Ausstellungsraum des Plastinators Gunther von Hagen. Im Foto ist ein Teil der Neiße zu sehen, aber nicht mehr vorn rechts das Hotel und Restaurant von Gustav Kurzan, später um 1930 von Leo Kurschner als Restaurant ‘Germania’ betrieben. Bekannt wurde es nach 1945 als HO-Gaststätte ‘Bierqelle’, im Volksmund auch ‘Kugelbrücke’ benannt, da die nahe Brücke über die Egelneiße Betonkugeln zieren. Leider ging die Geschichte der Gubener Tuche 1997 zu Ende, aber im Stadt- und Industriemuseum kann man viele Einblicke bekommen.“

Gartentür

Gartentür-Detail zur Villa Engel.

Gert Richter aus Alt-Deulowitz, der seine Zuschrift um aktuelle Fotos ergänzt, schreibt: „Bei dem Gebäudekomplex in L-Form handelt es sich um die ehemalige Tuchfabrik Lehmann & Richter in der Alten Poststraße, Ecke Uferstraße. In der unteren rechten Bildecke ist die Egelneiße mit der Kugelbrücke zu erkennen. Grundsteinlegung dieser Volltuchfabrik war am 17. März 1890. Bereits nach 9 Monaten (!) ratterten 50 Webstühle. Erbauer waren der älteste Sohn Otto von Carl August Lehmann und Albert Richter Sen. Nach dem Tode von Otto Lehmann 1904 übertrug Albert Richter dessen Anteile an den jüdischen Unternehmer Artur Engel.

Villa Engel heute

Die Villa Engel im heutigen Zustand Fotos: G. Richter

Beide wohnten in der Villa an der Neiße, die man im oberen rechten Bildrand sieht. 1908 trat Max Franke als 3. Teilhaber ein. 1925 wurde der 40 Meter lange 5-geschossige Erweiterungsbau in Betrieb genommen. Nach dem Tod von Albert Richter 1927 übernahm der Sohn Albert Richter Jun. die Anteile, 1928 heiratete er Engels Tochter Therese. Heinz Engel folgte seinem Vater. Im April ‘42 stillgelegt, wurden im Textilwerk Feinmechanikteile für Flugzeuge für die Lorenz AG und Bauteile für die Auer AG, z.T. mit weiblichen jüdischen Häftlingen, hergestellt. Albert Richter übernahm im Juni ‘45 auf Anordnung der Sowjets die Betriebsleitung bei C. Lehmanns, später dann in seinem Betrieb. Am 1. Oktober 1945 begann man als Privatbetrieb mit Lohnspinnerei für die Fa. Huschke sowie Lohnweberei für Celewes u. Salewski. Albert Richter Jun. u. Max Franke wurden 1952 wegen angeblicher Wirtschaftsvergehen verurteilt, konnten aber in den Westen fliehen. Am 2. Oktober 1953 wurde die Tuchfabrik verstaatlicht. Vor einigen Jahren übernahm der Plastinator Gunther von Hagens die Gebäude. In der Alten Poststraße erinnern 2 Stolpersteine an das Ehepaar Engel, die wie viele der damals etwa 200 in Guben wohnenden Juden umgebracht wurden.“

Stolpersteine

Stolpersteine in der Alten Poststraße in Guben

Arno Schulz aus Guben ergänzt: „Wir sind in Guben an der Kreuzung Uferstraße / Alte Poststraße neben der Kugelbrücke, die die Egelneiße überspannt. Links in dem kleinen Häuschen war der Lebensmittelladen Pehle. Der Abriss erfolgte schon zu DDR-Zeiten mitsamt dem Seitenflügel. Rechts das große Fabrikgebäude hat die Anschrift Alte Poststraße 26, obwohl es größtenteils in der Uferstraße steht. Die Gründer der Tuchfabrik waren Otto Lehmann und Albert Richter. Das Fabrikgebäude wurde 1890 eingeweiht. Ein weiterer Anbau erfolgte 1925. Nach den Tod von Lehmann, stellte Albert Richter den jüdischen Arthur Engel ein, der auch Teilhaber wurde, wie auch M. Franke.
Nach der Zwangsarisierung blieb nur noch Richter mit ca. 450 Beschäftigten. Der Betrieb wurde nach 1945 nicht enteignet, sondern von Herrn Richter, Dr. Spohn, und Herrn Franke weitergeführt. Nach einem konstruierten Wirtschaftsvergehen wurden die Herren Lehmann und Franke zu Haftstrafen verurteilt, denen sie sich aber durch Flucht in die BRD entzogen. Nach Treuhandverwaltung wurde der Betrieb in Volkseigentum überführt und 1953 der Gubener Wolle als Werk IV angeschlossen. Später wurde das Gebäude für die Lehrlingsausbildung umgerüstet und die Lehrwerkstatt vom Werk III hierher verlegt, ebenso die Musterweberei. Da die Tordurchfahrt für hohe Fahrzeuge zu niedrig war, wurde in den 60er Jahren eine Umfahrung an der Egelneiße geschaffen.
Nach dem Ende der Tuchproduktion kam es zum Verkauf an den Plastinator von Hagens. Links die Bauten im Hintergrund gehörten zu den Berlin-Gubener Hutfabriken, heute Plastinarium. Interessant ist der Standort des Fotografen, vermutlich stand er auf dem Dach der ehemaligen Villa Lißner, im Vordergrund ist das Dach des ehemaligen Zollhauses zu erkennen.“
S. Sachse sieht in dem Foto eine schöne Ergänzung zu seiner Beschäftigung mit Herrmanns Roman „Die guten Jahre“, der in „Guttau“ = Guben spielt. Allerdings steht dort eine andere der oben genannten Fabriken im Focus.

Weitere Beiträge über das historische Guben und das Umland finden Sie hier!



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