Mit den Füßen gelenkt, nicht gestimmt
Damals war´s, Bilder aus dem alten Spremberg | Von CGA Verlag | 14. Juni 2024Episode vom 1. Mai am Ende der 1950er oder Anfang der 60er Jahre
Aus Gotha schreibt uns H.-J. Klammer: „Das Bild ist sicher in Spremberg aufgenommen. und zwar aus der Position Jägergasse mit Blickrichtung Lange Straße bzw. Marktplatz. Zu sehen sind als markante Punkte rechts im Hintergrund die Evangelische Kirche und links der Rathausturm. Die Fläche davor war nach Beräumung der durch Kriegseinwirkung entstandenen Trümmer zeitweise der zentrale Busparkplatz für die Abfahrten in die verschiedenen Richtungen. Das ist auch zu ahnen durch die im Hintergrund zu erkennenden Busse – ein Skoda für die Überlandlinien und ein H6 Doppelstockbus für die Stadtlinien bis nach Trattendorf. Das Fahrzeug mit der Erdkugel war ein Vorläufer des Multikar, der mit einer durch die Füße gesteuerte Lenkung (Wippe) die Fahrtrichtung änderte.“ Diese Wippe kennt auch Rudolf Kerner, der scherzhaft schreibt: „Heute wird oft ‘mit den Füßen abgestimmt’, damals wurde mit den Füßen gelenkt. Ich kenne dieses Fahrzeug nur von Reichsbahn-Bahnsteigen, so auch in Cottbus. Aber hier sind wir auf dem Markt in Spremberg, und der Mann stimmt sehr positiv mit Herz und Füßen für die Errungenschaften seiner Zeit. Er feiert mit der Bastelarbeit den ersten russischen Sputnuik“. Auch Dieter Leubauer aus der Beuchstraße in Cottbus erkennt Ort und Zeit: „Wir sehen in Spremberg Personen offenbar zur 1.Mai-Feier im Bereich des Marktplatzes und der Langen Straße. Baulücken geben noch den Blick frei auf die Evangelische Kreuzkirche und ganz links auf den Rathausturm.“ Er fügte die hier gezeigten Fotos bei.
Manfred Gnida im Spremberger Weinberg erklärt fachlich exakt: „Für Spremberger ist die Lösung nicht schwer, zeigt das Bild doch zwei markante Bauten: die Kreuzkirche und einen Teil des Rathausturmes. Der Blick geht nach Westen von einen damals freien Platz am Markt, dem heutigen Standort des City-Centers. Wie man sich erinnern kann, war der 1. Mai in der DDR ein besonderer Feiertag mit unterschiedlichen Veranstaltungen, Ehrungen und Verpflichtigungen in den Betrieben zum Wohle des Volkes. Umzüge der Bürger, verbunden mit Sport, Schulen, Handwerk, Technik, Militär und Losungen sorgten für Höhepunkte. Hier ein Foto von diesem besonderen Feiertag, wobei ich dieses Ereignis nicht in das Jahr 1958 einordnen würde. Im Vordergrund die Dieselameise mit einer damals typischen Losung und den Erdtrabanten Sputnik, hatte am Einstieg ein Emblem mit Jahreszahl 1961. Ausser der Roten Nelke gab es Maiplaketten mit wechselnden Motiven und einer Jahreszahl, die bei Sammlern heute noch begehrt sind. Der Sputnik startete im Oktober 1957 ins Weltall und daran erinnert dieses Motiv. Die Dieselkarre DK 2004 (Kurz DK4) wurde mit Schutzrecht am 4. Dezember 1959 umbenannt in Multicar M21. Eine Präsentation des vom damaligen VEB Fahrzeugwerk Waltershausen hergestellten Fahrzeugtyps erfolgte im Rahmen der Leipziger Messe 1957. Mit achtjähriger Produktion von 1956 bis 1964 löste der Multcar M21 die vorher von 1951 bis 1956 gebaute Dieselameise ab. DK stand damals für Dieselkarren und für den im Dezember 1959 eingeführten Namen Multicar M21 war das M und die 2 für 2 Tonnen Nutzlast, die 1 für erste Baureihe.
Noch ein Anzeichen, dass diese Aufnahme von 1961 stammen könnte, ist der im Hintergrund erkennbare Doppelstockbus. DO56, der eine Bauzeit von 1956 bis 1959 im VEB Waggonbau Bautzen hatte. In Spremberg verkehrte er von 1959 bis 1961. Selbst einmal in diesen Betrieb beschäftigt, weiß ich wie schwer es war, dieses Fahrzeug ohne Lenkhilfe zu fahren, das vom Kraftfahrer Muskelkraft verlangte. Wichtiges Transtportfahrzeug auf der Basis des H6 LKW war der Bus für den Stadtverkehr und Beschäftigte im Kraftwerk Trattendorf. Für Kinder war eine Fahrt besonders beliebt, da sie gern im Oberdeck und ganz vorn sitzend fuhren. In Bezug auf den Bus DO56 und des Multicar M21 wäre meine Lösung zur Aufname 1.Mai 1961. Vielleicht erkennt jemand noch Personen auf dem Foto, welcher Firma der Multicar gehörte oder wer sogar der Fahrer ist.“
Heinz Bahrke mailt uns: „Bei dem Foto handelt es sich um Spremberg. Es zeigt den hinteren Bereich des Marktplatzes. Links im Bild, leicht verdeckt, ist der Turm des Spremberger Rathauses zu sehen. Wegen der kriegszerstörten Gebäude am Markt kann man rechts vom Standort des Fotografen aus die Spremberger Kirche sehen. Die heutige wieder errichtete Bebauung verhindert das. Klaus Reiter aus Cottbus fasst sich diesmal kurz: „Die Lösung ist an der Kirche auszumachen. Ich habe aber dazu keine Informationen.“
Jens Pumpa aus der Rostocker Straße in Cottbus geht wie andere Leser auch auf die besonders schöne Kirche rechts im Hintergrund ein: „Im Hintergrund ist die Kreuzkirche in Spremberg zu erkennen. Die Kirche ist eine spätgotische Hallenkirche mit reicher Barockausstattung. Der älteste Teil der Kreuzkirche ist der untere Teil des Turmes mit seinen 2,60 Meter starken Mauern aus dem 13. Jahrhundert. In den 1509 vollendeten dreischiffigen spätgotischen Kirchenbau wurde der vormals freistehende Turm einbezogen. Der achteckige barocke Turmaufsatz wurde 1732 von Herzog Heinrich zu Sachsen-Merseburg gestiftet, nachdem der vorherige Turmaufbau bei einem Stadtbrand 1705 völlig zerstört wurde.“
Gewonnen hat Heinz Bahrke aus Cottbus.
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