Die alte Dorfstraße in Schlichow, am Cottbuser Ostsee gelegen, heißt Oskar-Trautmann-Straße. Der deutsche Ostasien-Diplomat und Schriftsteller ist hier begraben. Er starb am 10, Dezember 1950 in Berlin. Seit seinem Rückzug aus dem diplomatischen Dienst um 1940 lebte er in Schlichow, wo sein Vater Friedrich Trautmann, einst Gutsverwalter im königlichen Kossenblatt, einen Hof besaß, dem Sohn Oskar sich sehr verbunden fühlte.
Der Taiwan-Chinese Che-Wei Chang promovierte 2021 in Bonn zum Thema „Oskar Trautmann, ein deutscher Diplomat in Ostasien“. Seither wissen wir Details über einen Lausitzer, der am 7.5.1877 in Stradow (durch Welzow-Süd devastiert) bei Spremberg geboren ist, bis zur Untersecunda das Realgymnasium Spremberg und dann das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Cottbus besuchte, wo er 1895 die Reifeprüfung ablegte. Im Berliner Jurastudium verlor er sich zunächst in den Nebenfächern Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie, ehe er sich für Staats- und Völkerrecht begeisterte. Großen Einfluss hatten Lausitzer Jugendfreunde auf seine spätere Entwicklung. Die Pfarrer Schwela und Bronisch nennt Trautmann in seinen Memoiren, aber auch den Onkel in Bloischdorf, einen Windmüller mit sozialistischen Ideen. Ihn faszinierte „die ostdeutsche Mischung zwischen Germanentum und Slawentum“, und er lernte schon als junger Mann begeistert die russische Sprache, „weil die dem Wendischen so nahe“ war.
Mit dem Abschluss der Promotion 1904 schlug Trautmann die konsularische Laufbahn ein, war 1905/06 Vizekonsul in Petersburg, später leitender Verhandler in Den Haag, London, Skandinavien und Zürich. Im I. Weltkrieg platzierte ihn das Kaiserreich im Pressedienst. Die Weimarer Republik übernahm den Diplomaten nahtlos, nun für die deutsche Botschaft in Tokio, ab 1931 in China. Als Gesandter in Peking und dann Nanjing (1927-37 Hauptstadt mit tragischem Massaker am Ende) erreichte er den Höhepunkt seiner diplomatischen Laufbahn. Sowohl in Russland als auch in China hat sich der Lausitzer tiefgründig mit der Kunst, vor allem Architektur, Musik und Literatur, der Länder befasst. Im Schlichower Ruhestand übersetzte und publizierte Trautmann vielfach. Literarisch meldete er sich 1949 mit dem Religionsroman „Die Wiederkehr Gottes“ zu Wort. H.
Trautmann und seine Cottbuser Stadtvilla
Dr. Lothar Jordan, als Germanistik-Professor u.a. bekannt für seine Beiträge zur Kleist-Forschung, wohnt in einem besonders schönen Haus in Cottbus, das eben diesem Oskar Trautmann seit 1934 und danach bis 1996 seinen Nachkommen gehörte. Es ist das im Rahmen des Modellstadtprogramms vortrefflich sanierte Haus Puschkinpromenade 2. Gutspächter Friedrich Trautmann, der Vater des Diplomaten, taucht 1921 erstmals als Eigentümer dieses Hauses auf. Oskar Trautmann beendete seine Tätigkeit als Botschafter in China 1938. „Im selben Jahr gibt ihn das Adressbuch als Eigentümer unseres Hause an“, schreibt Prof. Lothar Jordan. Die Adresse lautete noch schlicht Promenade. Die Umbenennung im DDR-Gründungsjahr 1949 dürfte Trautmann gefallen haben. Er schätzte die russische Sprache und Kultur. Jordan zitiert ihn: „Im ganzen wird man das russische Volk, das einen Puschkin, einen Tolstoi, Dostojewski, Tschaikowski, Lenin hervorgebracht hat, zu den begabtesten europäischen Völkern rechnen müssen.“
Eine Hausgeschichte
Im Eigenverlag hat Lothar Jordan als Bewohner des Dachgeschosses des Hauses Puschkinpromenade 2 eine bemerkenswerte Broschüre über sein Wohnhaus und dessen Bezug zur ganzen Stadt herausgegeben. Mit teils großformatigen Fotos von Frank Wenzel versehen, grafisch von Andreas Wallat gestaltet und auf hochwertigem Karton bei DRUCKZONE hergestellt, darf es mit dem bescheidenen Untertitel „Eine kleine Hausgeschichte“ als bibliophile Cottbuser Kostbarkeit gelten.
Der Aufbau des Textes verrät den geübten Publizisten. Er beschreibt das Panorama, das sich dem Auge des Terrassenbesuchers dieses Wohnhauses bietet und ordnet Erkennbares, sorgfältig recherchiert, den Ereignissen der Stadtgeschichte zu. Schließlich interessieren ihn der Erbauer des Hauses, seine Rolle in der Stadtgemeinschaft und die Absicht dieser Investition in den Gründerjahren.
Oskar Mittag war einer der Männer, die den Geist der Zeit begriffen und durch Fleiß und wohl auch glückliche Heirat zu unternehmerischem Erfolg kamen. Sie bauten das, was wir heute als Kulisse der Gründerzeit und des Jugendstils bis hin zum Sehring-Theater, dem Cottbuser Bürgerstolz schlechthin, wahr- nehmen. Mittag engagierte sich, wie viele Unternehmer damals, für den Aufstieg der Stadt. Sein Schwiegervater Paul Thiele war als Baumeister Mitglied der Stadtverordnetenversammlung und fügte der Schlosskirche 1870 den neugotischen Turm an. Auch Mittag war Stadtverordneter ab 1885. Da war sein elegantes Haus in der Promenade – eines von drei eigenen – schon gut vermietet.
Der Autor beschreibt die Architektur mit kunstgeschichtlicher und frühgymnasialer Antike-Begeisterung geradezu lustvoll, vom Fotografen professionell unterstützt. Auch auf den Dichter Puschkin, ab 1949 Namenspatron der Promenade, lässt er sich gern ein.
140 Jahre Stadtgeschichte umspannt das biografische Mosaik der Bewohner des Hauses. In den ersten Jahren waren das niemals die Besitzer, vielmehr so prominente Persönlichkeiten wie der Kaufmann Friedrich Albert Liersch, der sein eigenes Palais am Neumarkt später der Stadt vererbte, oder dann die Landgerichtspräsidenten Busso von Bismarck und Julius Jekel, weitere Richter und später der hiesige Bataillonskommandeur Major Otto von Besser. Nachher waren es Witwen, Lehrer, Handwerker und Eisenbahner, die das Adressbuch nennt.
1891, so fand der heutige Bewohner des Dachgeschosses heraus, verkaufte der Bauherr sein „Mietshaus“ an die Witwe eines Lehrers, die nun als Eigentümerin hier lebte.
Nach 1990 bekam das Haus dieser feinen Adresse eine neue Chance. Trautmann-Erben verkauften es an Jungunternehmer in der Gesundheitspflege. Es kam zu einem weiteren Eigentumswechsel, blieb aber in der Branche. Die Jordans selbst zogen 2017 hier ein – und fühlen sich offenbar wohl im Denkmal.
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