Handwerk hat Goldenen Boden und fand selbst in der Planwirtschaft eine Nische, allerdings unter strikter staatlicher Leitung. Die Kammer existierte als verlängerter ausführender Arm des Rats des Bezirkes. Diesen Zustand in eine Selbstverwaltung zu überführen, war eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen ab 1990.
Handwerker wählten ihre eigenen Organe, erster Präsident der Südbrandenburgischen Handwerkskammer wurde Fleischermeister Werner Schröter. An diesem Sonntag (5.6.) wäre sein 80. Geburtstag. Er starb, zuletzt noch einige Jahre als ehrenamtlicher Bürgermeister in Goyatz tätig, im Juli letzten Jahres.
In der Chronik des südbrandenburgischen Handwerks wird der Name Werner Schröter mit Achtung erwähnt. In der rastlosen Zeit des „wilden Ostens“ begab er sich gen Westen auf die Suche nach Erfahrungen im Umgang mit der deutschen Handwerkerordnung. Er fand Ratgeber und daheim genügend Meister und intelligente Mitarbeiter, die gern mitzogen. Im alten Kammerbezirk in den Grenzen des Bezirks Cottbus (etwa Niederlausitz plus Kreise Weißwasser, Hoyerswerda und Jessen) gab es um die 3 500 Handwerksbetriebe mit maximal zehn (meist deutlich weniger) Beschäftigten. Zehn Jahre später waren es 8 500 Unternehmen, darunter große mit 100 und mehr Beschäftigten. Zügig wurden moderne Strukturen geschaffen und in solide Ausbildungsstätten in Cottbus-Gallinchen, Großräschen und Lübbenau investiert. Der „Tag des Meisters“ zur Würdigung der Schrittmacher des Handwerks wurde eingeführt, bald gab es auch die ersten Handwerkerbälle.
Geradezu abenteuerlich verlief der Umbau des alten Hauses des Handwerks, dem noch der Staub des einstigen Hotels Ansorge anhaftete. Vom ehemaligen Haus blieb nicht viel mehr als die Fassade zum Altmarkt hin erhalten; aus der „Sanierung“ war 1995 ein teurer Neubau mit kreisrundem repräsentativen Meisersaal geworden – inzwischen ein Ort, an dem sich das Handwerk mit der übrigen regionalen Wirtschaft, der Politik, der Wissenschaft und vielen Entscheidern zu Jahresempfängen und anderen Anlässen trifft.
Werner Schröter hatte mit seinen Gremien Mut und fast immer ein glückliches Händchen. Er war stolz auf das, was das Handwerk für die Lausitz in seinen elf Amtsjahren erreicht hat. Den überwiegenden Teil seiner arbeitsreichen Alltage widmete Werner Schröter „mit großer Lust und Freude“ seinem Amt. Auf der Strecke blieb dabei leider das eigene Unternehmen, und seine privaten Projekte verliefen glücklos. Schlechte Presse erschütterte sein Ansehen gründlich, und so kam es wenige Wochen nach seiner einmütigen Wiederwahl 2021 zur fast ebenso einmütigen Abwahl durch die Vollversammlung.
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