Niemals sonst ist soviel Leben auf den Friedhöfen wie in diesen Tagen, der Woche vor dem Ewigkeitssonntag. Wir pflegen und schmücken die Gräber, denn es ist so Brauch von alters her. Für Christen ist der Totensonntag der letzte Sonntag im Kirchenjahr, für alle anderen ist es die letzte Grabpflege im Jahr, bevor im nächsten Frühjahr wieder die Blümlein sprießen. Wie auch immer. Ein Jahr der Kirche oder der Natur geht zum Ende und wir spüren, dass wir nachlassen könnten aus der Eile, die uns der Alltag, die uns Beruf und Familie aufzwingen. Oder die wir uns selbst auferlegen, weil wir mehr erreichen oder wenigstens nichts verpassen wollen. So addieren sich die Dinge im Jahreslauf, und es passt ins Leben, dass da manchmal ein sanftes Halt geboten wird. Der Pfarrer geht mit seinem Psalm gleich aufs Ganze: Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. Sollen wir gleich ans Sterben denken, nur weil wir auf den Friedhof gehen? Mindestens das mit dem „klug Werden“ scheint aber erforderlich. Die gebotene Stille, die überall in der Lausitz gewahrt und vielfach sonntags von Posaunenchören auf den Friedhöfen unterstrichen wird, schafft Zeit, unser Sein zu bedenken. In Erinnerung an unsere Verstobenen, an Eltern oder Großeltern, die es schwer hatten und nicht mit so viel Wohlstand belohnt wurden, wie die meisten von uns. Wir haben erreicht, dass das Leben schöner wurde, als vor Jahrzehnten. Also sollten wir, ohne gleich ein Sterben einzurechnen, bedenken, dass es klug wäre, daran festzuhalten und das Gute weiter zu entwickeln, für uns und unsere Kinder. Die stille Zeit sollte Gelegenheit sein auch für die im Augenblick Verantwortlichen, zu erkennen, dass sie nicht mächtig, sondern nur verantwortlich sind.In dem Psalm, den Verantwortliche meistens kennen, weil sie den Eid auf die Bibel schworen, ist enthalten, dass wir nicht klug sind, sondern es durch bedenken werden können. Möge dies doch geschehen. In uns, aber auch und vor allem bei denen, die lange unser Vertrauen hatten. J.H.
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