Jürgen Heinrich kommentiert: Friday vs. future

Sie sind in den Ferien, viele im Flieger an sonnige Strände gedüst. Als Umweltfrevler. Aber wenn die Schule beginnt, soll sie freitags wieder bestreikt werden. Am 20. September, twittert das schwedische Gretchen, hebt der Aufstand gegen das Lernen erneut an. Gegen Unterricht. Für future, Zukunft also. Widersprüchlicher geht es nicht. Ein Mädchen sagt: „Wozu soll ich für später lernen, wenn es die Welt schon morgen nicht mehr gibt?“ Das ist Bildungsnotstand in schlimmster Form, made by „fridays for future“.
Seit August 2018 gibt es die Aktion, Cottbus erreichte sie im März. Eine spannende Sache und sehr nützlich. Derart kraftvoll kamen Stimmen junger Menschen selten in die Medien, weltweit. Es war wohl Außerordentliches nötig, um Gehör zu finden.
Soweit, so schlecht. Denn nur weil Wahlanalytiker herausfanden, dass „falsche Haltung zu fridays for future“ Stimmen gekostet haben könnte, reden SpitzenpolitikerInnen der Schulschwänzerei jetzt das Wort, statt sich überzeugend der Probleme anzunehmen, die junge Leute artikulieren.
Wohin das führt? Ganz klar: Ein geschwänzter Freitag macht bei fünf Schultagen pro Woche 20 Prozent. 20 Prozent von zehn Schuljahren wären demnach zwei verschwänzte Jahre. So eskaliert die Verblödung der Zivilisation. Das mag drastisch klingen. Aber es trifft auch dann noch zu, wenn Einser-Schüler des Steenbeck-Gymnasiums sich an die Spitze der Proteste begeben. Denn die Wahrheit ist, dass auch jenes Gros, das ohnehin schwer mitkommt im Schulstoff, als Mitläufer (besser: Mitschwänzer) dabei ist und seinen Untergang nicht kapiert.
Niemand kann Lehrer, Eltern und vor allem Politiker aus der Verantwortung entlassen, diesen schön schrillen Dialog auf den Boden der Vernunft zu stellen. Unser Land braucht eine kluge, gebildete Jugend, die nicht nur freitags erkennt und sagt, worum es geht in dieser schönen Welt – heute und in ferner Zukunft. J.H.

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