
„Einige Dutzend Menschen gedachten der Opfer …“ So oder ähnlich liest sich die Meldung nach dem 8. Mai seit Jahren. In Cottbus, in Guben, in Forst, in Senftenberg, in Spremberg. Einige Dutzend. Mehr nicht.
Vielen war gar nicht aufgefallen, dass in der Mitte dieser Woche das Datum lag, von dem der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1985 in seiner bis heute unübertroffenen Rede im Deutschen Bundestag sagte, dass dies das „letzte für alle Deutschen verbindliche Datum war“. Der 8. Mai 1945. Weizsäcker sprach damals als erster offizieller Westdeutscher vom „Tag der Befreiung“. Sein Wunsch, es möge wieder ein solches für alle Deutschen verbindliches Datum geben, erfüllte sich mit dem 3. Oktober 1990. Es hätte eine weitere Chance gegeben, vielleicht sogar an einem 8. Mai. Denn an diesem Datum signierte Conrad Adenauer 1949 das westdeutsche Grundgesetz – ein großartiges Dokument, aber ausdrücklich nur gedacht als Vorstufe einer Verfassung im vereinten Deutschland. Niemand erklärt, warum nicht spätestens am 8. Mai 1999, zum 50. Jubiläum des Grundgesetzes, die Verfassung aller Deutschen geschaffen wurde.
So bleibt der 8. Mai 1945 mit seinem kargen Gedenken. Und Verwirrung nicht nur im Rechten Winkel. Der Pfarrer Steffen Reiche (SPD), der einst hier in seinem Lausitzer Bundestags-Wahlkreis viel Positives anstieß, gibt allein den Russen die Schuld, dass Deutschland 40 Jahre geteilt war. Er sollte in der Bibel blättern, Altes Testament, Buch der Richter. Da wird gewarnt: Wenn die Erinnerung abreißt, ist die Ruhe zu Ende. Weizsäcker erwähnte auch das in seinem Nachdenken über den Gang der Geschichte. Und er fand zu dem Schluss: Ursache für Flucht, Vertreibung und Teilung ist nicht das Ende des Krieges; die Ursache liegt vielmehr in seinem Anfang. Wir Heutigen tragen keine Schuld – aber Verantwortung dafür, was nun wird aus diesem Erbe. J.H.
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