Kommentar: Am Katzentisch

Für manchen älteren Leser haben Nachrichten dieser Woche wieder das Schicksal ihrer Familien abgebildet. Gerade hier bei uns in der Niederlausitz, der deutschen und vor allem der polnischen, leben tausende Menschen, über deren Leben nach 1945 fremdbestimmt entschieden wurde. Russen und Amerikaner, damals auch Engländer, legten fest, wer wo zu wohnen hat. Ukrainer mussten in deutsche Häuser östlich der Neiße ziehen, die Deutschen wurden zu Flüchtlingen und hatten sich im Reich zu kümmern. Ein Millionenheer Vertriebener zahlte für Verbrechen, deren sich nur die wenigsten schuldig gemacht hatten. Das wäre auch nicht anders verlaufen, wenn Deutsche, Polen oder Ukrainer am Katzentisch oder sonst wie bei den Verhandlungen gesessen hätten. Es war ein brutaler Schnitt, und so blieb das ein halbes Jahrhundert lang. Russen und Amerikaner besetzten das nie befriedete Land. Damals.

Und heute? Russen und Amerikaner schicken sich an, das Sterben in Russland und der Ukraine zu beenden. Die Kriegsparteien allein vermochten die Waffen nicht zum Schweigen zu bringen, weil es, zumindest auf ukrainischer Seite, nicht die ihren waren, sondern die vor allem deutscher und amerikanischer Konzerne, die Unmengen Geld an dieser Katastrophe verdient haben. Für Politiker wie Herrn Pistorius und andere wäre es in den letzten Stunden vor der Wahl Zeit, sich beim ukrainischen Volk zu entschuldigen für dieses schändliche Geschäft und Aufbauhilfe zu planen, statt europäische Aufrüstung und Besetzung der Ukraine zu fordern.
Die Menschen, die sich hier ihres eigenen, zum Glück friedlich verlaufenen Nachkriegslebens erinnern, werden jede Teilung ferner Gebiete mitfühlend bedauern. Aber wo so viel Sterben zuglassen und sogar verursacht worden ist und die wenigen Diplomatieansätze nie ehrlich waren, sollten externe Machtworte gelten.
Wer immer Deutschland im Sommer regiert – auf einen Platz am Katzentisch und den Einsatz von Soldaten nahe Kiew sollte er verzichten. J.H.