Kurze Woche und dank Brückentag herrlich langes Wochenende. Das frommt (nützt) auch den notorischen Atheisten. Es macht ihn nicht fromm, aber doch in gewisser Weise dankbar, dass ihn die Kirche mit so vielen schönen freien Tagen beschenkt. Weihnachten, Ostern, Pfingsten und jetzt auch wieder Himmelfahrt. Dabei kann er eigentlich mit diesem in der Kirche schon seit 384 begangenen „Hochfest“ am aller wenigsten anfangen, und die Kirchen sind ja auch nicht gerade überfüllt an diesen Donnerstagen 40 Tage nach Ostern, als Christus den Augen seiner Gefolgsleute in einer Wolke aufschweben entschwunden sein soll. Mancher sagt: „Däniken lässt grüßen“, holt den Bollerwagen und den Klingelstock aus dem Fahrradschuppen und ab geht’s mit Kumpels ins Grüne, besser gesagt: ins nächst gelegene Ausflugslokal.
Nein, diese Art den Tag zu begehen war keine Erfindung der gottlosen Ostdeutschen, sondern da hatten die Berliner Brauereiunternehmer schon ein Jahrhundert früher ihre Hand im Spiel. Heute bemühen sich die Wirte intensiv, die Gepflogenheit am Leben zu halten. Aus dem Herren- wurde, wie erfreulich, ein Familientag, aber der Trubel flaut ab. Seine Hochzeit hatte das Fest hier im Osten, als der Feiertag 1966, noch in der Ulbricht- Ära, gestrichen wurde. Wer konfessionell gebunden war, dufte sich freistellen lassen. Da staunten stramme Genossen über so viel Frömmigkeit und schnitzten sich heimlich auch ihren Klingelstock. Der Spreewald, die Ufer des Spremberger Stausees und viele andere Lieblingsorte waren übervölkert, die Schnapsleichen abends an den Straßenrändern nicht ungefährlich. Getrunken wurde in Unmengen, denn das kostete fast nix.
1990 war die letzte preiswerte Boller- und Klingelstock-Party – noch in der DDR, aber schon mit jenem Fernweh. Sicher, es gibt wichtigeres im deutschen Zusammenrücken – aber wäre es nicht wunderschön, wenn dieser Himmelfahrtstag für Ausflüge im Freundes- und Familienkreis seine Chance bewahren könnte…? J.H.
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