Kommentar: Durchhalten

Es knistert im Gebälk. Die Wirtschaft hat in vielen Branchen schwere Zeiten vor sich. Selbst dann auch, wenn der Pandemie-Spätherbst doch noch sanft verlaufen sollte.
Kein Wunder, dass sich Politiker jetzt dort Rat suchen, wo es einschlägige Erfahrungen gibt im Thema Durchhalten. Aus jüngster deutscher Geschichte knallt das Thema Treuhand auf den Tisch. Gewiss: Da war mehr Schatten als Licht. Aber das lag nicht nur an der Treuhand, sondern auch an fehlenden Lichtgestalten in Ostdeutschen Untergangsszenario. Gern wird als Ausnahme Gunter Heise aus Freyburg angeführt. Frag’ nicht nach Sonnenschein, sagt der heute: „Ich musste 300 Leute entlassen, 60 blieben.“ In der Provinz wechselten die Leute die Straßenseite, wo Heise auftauchte. Er hatte 300 Familien zerstört. Hätte er die 300 Gehälter noch über Monate oder gar Jahre gezahlt – es gäbe kein „Rotkäppchen“ mehr. Dieses Jahr kann er mit der ganzen Region die Sektgläser klingen lassen: „Wir erreichen erstmals ein Milliarde Umsatz.“ Mit inzwischen 1000 Beschäftigten in Ost und West. Er hat durchgehalten.
Nicht ganz so üppig sind die Zahlen bei Lothar Parnitzke, dem Kunella-Lehrling, der zum Feinkost-Marktführer wurde. In Cottbus hat er aus Käse-Kunert einen hochmodernen Betrieb gemacht, den täglich Lastzüge mit Kunella-Mayonaise, -Leinöl oder Ketchup in alle deutschen Gegenden und über die Grenzen hin verlassen. Mit der Treuhand war das hart aber fair, sagt er heute. Es kam aufs eigene Durchhalten, aufs Selbst Zurücknehmen und klare Ansagen an. Bei ihm war nie einer arbeitslos, auch dann nicht, wenn es keine Arbeit gab. Brandenburgs Wirtschaftsminister Steinbach, der früher nur ein paar hundert Meter weiter Uni-Präsident war, hat jetzt von Potsdam aus den Weg hierher gefunden: Wie macht man das, durchhalten in extrem schlechten Zeiten?
Das ist gut zu wissen, auch wenn die hoffentlich nicht kommen. J.H.

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