Es ist dies der Sommer der Exekutive. Die Corona-Pandemie räumt ihr in lange nicht gekanntem Maße Spielräume ein. Statt dem mehrheitlich gewünschten Möglichen zum Durchbruch zu helfen, steigert sich Politik fiebrig in den Ehrgeiz, das ihr notwendig Erscheinende mehrheitsfähig zu machen. Kein Zweifel: eine Krise.
Vieles gelingt noch immer gut in Deutschland, Pannen halten sich in Grenzen. Grundsätzlich aber stellt sich die Frage, ob unser Land ausreichend glaubwürdige und umsichtige Persönlichkeiten in politischer und gesellschaftlicher Verantwortung hat. Entscheidungen sprießen oft aus trivial-ökonomischem Boden und führen längst spürbar zur Dürre im Alltag.
Kultur und Kunst sind in besorgniserregendem Maße an den Rand gedrängt worden. Seit fünf Monaten schon wird nirgendwo im Vaterland Beethovens 9. Synfonie von einem Orchester intoniert, und der Verlag, in dem diese Noten einst erschienen und der alle Kriege überstand, steht inzwischen vor der Pleite.
Auch vor Ort macht sich Angst vor dem Gespenst digitaler Kunst-Rezeption breit. Theatergeplärr aus dem Handy, Galeriebesuche auf dem Bildschirm – wohin soll das führen?
Ulrike Kremeier, Direktorin des Landes-Kunstmuseums, sagt: „Digitale Formate sind kein Ersatz für ein realräumliches Erleben von Kunst im Original“, und macht sich Sorgen (s. „Personen“, S. 2). Erste Vernissagen sind angekündigt, und auch die Bühnen wollen spielen. Mit aller Kraft und hoffentlich ausreichend finanzieller Ausstattung möge das gelingen. Was aber bleibt, ist der Schock darüber, wie Kunst und Kultur über so lange Zeit praktisch kaltgestellt wurden. Dabei ist es viel einfacher, den Zugang zu einer Kunstgalerie mit allen erforderlichen Benimmkonventionen zu steuern, als etwa den Einlass zu Baumärkten oder Klamottenregalen. Aber wer der Exekutive freie Hand lässt, muss wohl deren Rangfolge ertragen. J.H.
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