Kommentar: Praxen in Not

Sommer in der Lausitz. Schöne Themen in Kultur, Sport und Freizeit stehen im Kalender, aber gute Zeiten sind es nicht, die wir erleben. Abgesehen vom Krieg, dessen Unterstützung besonders die Ostdeutschen ablehnen, sind sie es auch, die Fehlentwicklungen deutlich benennen. Das hat am Donnerstag das Treffen der Ost-Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Chemnitz verdeutlicht. Bundesmittel für die regionale Wirtschaftsförderung dürfen nicht gekürzt werden, formuliert besonders scharf Sachsens Ministerpräsident Kretschmer (CDU). Bildung, Forschung, Landwirtschaft und der Umbau der Wirtschaft zur Klimaneutralität brauchen ihren zugesagten Etat, sonst schlittert das Land weiter in eine gefährliche Rezession.
In vielen Bereichen ist die Not schon größer, als sich das die engagierte Gesellschaft nach den vielen belebenden Impulsen und Prozessen nach der Wende vorstellen mochte. Wer hat vor Jahren geglaubt, dass einfache Arzttermine, normale Medikamente, ganz zu schweigen von fachärztlicher Hilfe, zum kaum lösbaren Problem würden? Schon vor mehr als einem Jahrzehnt haben sich Fachleute und regionale Politik um den Lausitzer Chirurgen Prof. Ingo Gastinger um die Ausbildung von Ärzten für die Lausitz bemüht und vor den Lücken der Zukunft gewarnt. Heute hat Cottbus zwar (wenn auch nicht genug) erstklassige Spezialisten im Carl-Thiem-Klinikum, aber die ambulante Versorgung steht, wie überall in Deutschland, vor dem Kollaps. Ärzte, die noch niedergelassen arbeiten, sehen die Grenze des Verantwortbaren längst überschritten, wenn sie, vollkommen unterfinanziert und von Bürokratie gelähmt, Patienten nicht so versorgen können, wie es ihrem Eid entspricht. Praxen müssen schließen, weil Nachfolger fehlen.
Haus- und Fachärzte sammeln derzeit Unterschriften für eine helfende Petition. Möge sie gelingen; sie ist ohnehin nur ein Segment der Bedürftigkeiten des gelähmten Systems unter bürgerferner Politik, die Ostdeutschland jetzt ganz besonders spürt. J.H.

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