Kommentar: Überfordert

Fußball-WM im Advent. Da machen nicht einmal Lausitzer Sportkneipen Umsatz, und auch Hansi Flick und seine Männer kommen nicht wie gewohnt in die Gänge. Ihre Zukunft im Golfstaat steht vorerst in spanischen Sternen. Man wird sehen am Sonntag. Wer sich nicht medial irre machen lässt, schaltet wenigstens dann ein. Am 4. Advent werden die Neuer, Müller, Goretzka & Co. das Endspiel wohl bei der vierten Kerze von daheim ansehen. Dabei scheint das kein schlechtes Team zu sein; es wird aber von der heimischen Gesellschaft und ihren Medien eindeutig überfordert. Wer im Fußball gewinnen will, kann nicht nebenher im Gastland die Sitten ändern. Wozu auch? Mehr als genug wäre daheim zu tun.
Katar ist keine Fußball-Hochburg, gewiss. Aber es ist ein Land, das nicht nur durch Gas und Öl, sondern vor allem durch Intelligenz und enormen Fleiß schnell reich geworden ist, unvorstellbar reich. Muss uns Deutsche das aber neidisch machen, die wir auch sehr, sehr reich sind, jedoch 178 000 Menschen ohne feste Wohnung und 68 000 gänzlich auf der Straße vegetieren lassen (Zahlen im Oktober 2022 veröffentlicht)? Was ist das für ein Land, das Milliarden Euro für Kriege ausgibt, den Menschen aber nicht die Angst vor dem nächsten Winter nehmen kann?
Ja, die Weltordnung ist kompliziert geworden, das Klima droht zu kippen und der Bazillus der Trägheit, der Rom aufgefressen hat, nagt kaum aufhaltbar an unserer einstigen „Bastion des Westens“. Guter Rat ist längst schon teuer. Aber allein deshalb, weil hier daheim nichts mehr gelingt, auf die junge Zukunft in den Ölländern zu feuern, ist einfach nur dumm. Dass sich dort Gastarbeiter geschunden haben für die Prestigebauten des Sports, haben wir gesehen. Was ihnen dabei gelungen ist, auch. Es ist atemberaubend schön, alles. Wir kennen ihre Sportpferde und ihre Falken und ahnen wenig von ihren Wertbegriffen. Nur diesen kennen wir genau: Fleiß, Fleiß und nochmals Fleiß. Und Stolz auf Katar. J.H.

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