Die Landtagsabgeordnete Kerstin Kircheis (SPD) fasst ihren Kommentar kurz: „Mir fehlen die Worte.“ Die Frau steht als Politikerin und Mutter mit beiden Beinen im Leben. Im heutigen Leben. Daher setzt sie sich für flexible Ladenöffnungszeiten – auch sonntags – ein. „Schauen Sie sich mal die Verkäuferinnen nach solch einem Sonntagstrubel an. Die lachen, wenn sie abends heimgehen. Endlich mal wieder ein guter Tag, an dem das Verkaufen Spaß gemacht hat.“ Sie hätte etwas altmodischer auch formulieren können: Die Damen verspürten eine seelische Erhebung…
Aber genau solch ein Satz verschlug ihr ja die Sprache. Da beruft sich eine hochgestellte Landespersönlichkeit im Zeitalter Europas, offener Grenzen und des Internets auf das Staubigste, was Deutschland zu bieten hat: die Weimarer Reichsverfassung! Unglaublich.
Es wurde an dieser Stelle schon gesagt: Paris, Warschau, Prag – überall offene Geschäfte. Das Internet sowieso, 24 Stunden an allen Tagen. Natürlich wird Geld (von dem es übrigens viel gibt in den meisten Haushalten, siehe Sparkassen-Jahresbericht) nur einmal ausgegeben. Das tun Menschen nun sonntags bei „seelischer Erhebung“ lustvoll im Internet. Dort gibt es immer alles. Und das Geld bleibt dem lokalen Kreislauf entzogen.
Und bitte vorsichtig mit dem Lobpreisen oder Vereinnahmen „abendländischer Kultur.“ Das könnten die katholischen Polen und andere Nachbarn als überheblich auslegen. Diesen überaus diffusen Kulturbegriff zu definieren, fällt uns „Abendländern“ ohnehin schwer. Gehören Toleranz und Genuss an Handels-Kreativität wirklich gar nicht dazu?
Sie erreichen den Autor: j.heinrich @ cga-verlag.de
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