Eine Romanze mit dem Schmerz der verpassten Gelegenheiten Anmerkungen zu „Kairos“ in der Fassung von Armin Petras.
Cottbus (MB). Der Titel mag zunächst irritieren. Griechische Gottheiten waren nie Leitbilder in der normalbürgerlichen DDR, um deren Untergang es hier geht; in der intellektuellen Ostberliner Blase, in die Erfolgsautorin Jenny Erpenbeck 1967 hineingeboren wurde, aber schon. Vater Prof. Dr. John Erpenbeck, Physiker und Autor, gehörte zur wissenschaftlichen Elite, Großvater Fritz Epenbeck und seine Frau Hedda Zinner schrieben viele Bände DDR-Literatur. Für die junge Jenny sind Namen wie Heiner Müller, Christa Wolff oder Ruth Berghaus geläufiger Alltag. Sie werden, wie viele andere Symbole der beklagten 80er Jahre, beschwörend ausgerufen in der Bühnenfassung des Romans von Schauspieldirektor Armin Petras, die Fania Sorel, selbst vor allem Schauspielerin, jetzt in leisem, anrührenden Duktus für die Kammerbühne inszenierte.
Nur drei Personen spielen und sind optimal besetzt: Ingolf Müller-Beck (als Gast) ist Hans, ein 50jähriger Typ oben beschriebener Szene, eigentlich im Autorenerfolg „funktionierend“, verheiratet, innerlich kriselnd. Nathalie Schörken, hier an der Bühne auch als Lotte im „Werther“ oder die Julia des „Romeo“ zu sehen, begegnet ihm als ganz natürliche, von seiner Größe verzauberte 19jährige Katherina – von der Romanautorin deutlich autobiografisch angelegt. Das Ende vorausnehmend, kommentiert Sigrun Fischer als eine zweite, spätere Katherina die knisternde Romanze, insbesondere die eben nicht bei Kairos’ Schopf gepackten Gelegenheiten der privaten wie der gesellschaftlichen Entwicklung. War der Untergang dieser Liebe, dieses Landes unvermeidbar? Ist die Wahrheit gesagt? Gibt es überhaupt dieses Wahr in der Erinnerung? Das Publikum trennt sich von diesem Gesellschafts-Gebäude, das Bühnenbildnerin Ann-Christine Müller als Konstrukt von Intimität und anonymer Kantigkeit (ver-)drehbar gebaut hat, sehr nachdenklich.
Armin Petras ist mit solcher Uraufführung eine gültige Erzählung über eine noch immer nicht zuende gedachte Zeit gelungen. Im Schluss wird, was zuvor von subtilen Darstellern längst geklärt war, etwas heftig referiert. Sehenswert bleibt „Kairos“ allemal. Diesen Samstag und dann wieder am 19. Mai steht es im Spielplan. J. Heinrich
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