Brutal schönes Ballett

Anmerkungen zu „Endstation Sehnsucht“.

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Ballett von Martin Chaix Desire. Foto: Bernd Schönberger

Cottbus. „Endstation Sehnsucht“ ist ein Ballett von Martin Chaix nach dem Stück „A Streetcar Named Desire“ von Tennessee Williams. Die Uraufführung enstsprach nicht den Erwartungen an einen Ballettabend, der Harmonien zu einer Folge glückseliger, musikalisch umhüllter Bilder verkettet. Die gab es auch, höchst perfekt, wie bei diesem erstklassischen Ensemble nicht anders zu erwarten, aber dann wurde es still und stiller im Parkett. Böses, Brutales trägt sich zu im kalten Zimmer, das Gesundes hinter Fenstern draußen lässt (Bühne Thomas Mika) und kleines Glück beängstigend unspektakülär zerrümmert. Blanche und Stella sind liebende Schwestern. Die eine erlebt, wie ihr Mann sich einem anderen hingibt. Der fühlt sich ertappt, erschießt sich. Diese Tragödie handelt der Choreograf nur als Randgeschehen sachlich ab. Es kommt schlimmer hinterm schönen Schein. Wie in der Dramaturgie von Hitchcock-Filmen schält dieses Ballett aus weicher Verpackung Schicht um Schicht alltägliche Brutalität hervor. Stanlay prügelt sein Weib, vergewaltigt deren Schwester, die der Psychiatrie nur durch Freitod entkommt. Das alles in einem Film oder als Thaterstück zu erzählen, wäre herausfordernd; es auf Spitzen klassich daherzutanzen, scheint unmöglich. Und doch gelingt es. Martin Chaix, einst selbst Tänzer, vermag die Geschichte herausragend zu besetzen. Er hat das Monster von Mann Fernando Casanova, dessen brave und klettige Frau Kate Farley und diese hinreißende Alessandra Armorina in geheimnisvoller Vornehmheit einer Liebe suchenden Blanche. Wie sie ihr tragisches Ende in eine Badewanne hineintanzt, aus der sie am Schluss als ein Bild kaum zu übertreffender Trostlosigkeit heraushängt, ist an Ausdruckskraft nicht zu übetreffen. Diese Blanche wird vom erschütterten Publikum euphorisch gefeiert, so wie auch alle anderen Tänzer: Stefan Kulhawec, Alessandro Giachetti, Alyosa Forlini, Laura Oakley, Clara Dufay, Rachele Rossi, Taro Yamada, Yannick Neuffer, Mario Barcenilla Rubio.
Dass zur Erläuterung des Milieus die afro-amerikanische Musik und deren enthemmende Wirkung ausreichen muss und sich nicht noch soziale Strukturen aufbröseln lassen, versteht sich von selbst. Es wird auch so Grandioses geboten.Wieder einmal. Die nächsten Vorstellungen sind am heutigen Samstag, 19.30 Uhr, dann Sonntag, 17. März , 16 Uhr, Ostermontag (1. 4.), 16. Uhr, und Sonntag, 14. 4., 19 Uhr, immer im Großen Haus. J.H.

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