Cottbus: Irre oder nicht? Späte Anmerkungen zu Max Simonischeks „Pension Schöller“

Nasst mich den Nöwen auch noch spienen.

Szenenfoto
Szenenfoto mit Johannes Scheidweiler (Eugen Rümpel) und Ariadne Pabst (Josephine Zillertal) Foto: © Bernd Schönberger

Cottbus. Sie kommen immer mehr auf Touren, die ganz normalen Irren, die sich unermüdlich gegenseitig Stichworte geben, um schrill aus dem grauen Alltag zu stolpern Hauptfigur ist Klapproth (Manolo Bertling), ein übermütiger Brandenburger Spießer, dem sein Neffe den Wunsch erfüllt, eine echte Irrenanstalt zu erleben. Dass er wirklichkeitsnahe in eine ganz normale Berliner Pension gerät, fällt nicht auf, weil dieser Klapproth die Figuren, denen er begegnet, derart aufputscht, dass sie sich in grenzenlos glückliche Momente steigern. Im Falle des verhinderten Bühnenhelden Eugen Rümpel, dem beim Rezitieren die berühmteste aller „Fniegen in den Hans gefnogen“ ist, führt das zu Johannes Scheidweilers Kampf mit Schinners Gnocke bis nahe an die Erschöpfung. Sein Shirt ist schweißdurchtränkt, nachdem er sich auch durch die Pause am irdenen Werk quälte. Unglaublich, wie der jetzt selbst wieder am Wiener Burgtheater spielende Regisseur Max Simonischek klassischen Klamauk zu großem Theater aufschäumt.

Premiere war schon im Mai, und der Beifall für „Pension Schöller“ im Großen Haus ebbt nicht ab. Neun Meister ihres Fachs übertreffen sich in einer Irrenanstalt aus Pappkisten (orginelle Tobebühne von Harald Thor). Neben dem schief-kariert angezogenen Gutsherrn Klapproth (Kostüme: Taja Hofmann) aus Kyritz an der Knatter sind das dessen Neffe Markus Paul (der Artigste von allen), Klapproths Schwester Sigrun Fischer, die Schöller-Wirtin Susann Thiede und deren auch hier Tochter Lucie Luise alias Franziska (köstlich ihr Hoffen auf eine, letztlich von Jung-Klapproth verlesene Liebeserklärung), der Komödiant mit dem l-Fehler, ein knarrig-seniler preußischer Major a.D. von Kai Börner, der Großwildjäger und Weltreisende Professor vom körpersprachlich höchst begabten Raphael Kübler a.G. und die ganz phänomenale Ariadne Papst als von ihren eigenen riesigen Inspirationen immer wieder hin- und weggerissene Schriftstellerin.

Der wohl 130 Jahre alte Text aus der Feder zweier Karnevalisten voller Witz und Anspielungen bleibt durch Slapsticks und tausend kleine, treffliche Gesten frisch. Darsteller und Publikum scheinen sich, trotz einiger Längen, gleichermaßen zu vergnügen. Das können sie weiterhin tun bei Vorstellungen am 2. November, 29. Dezember und 31. Januar, jeweils 19.30 Uhr. Endlich mal viel Spaß dabei! J. Hnr.

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