Bildungsministerin Martina Münch (SPD) wirbt für ein durchlässiges Schulsystem und um Elternvertrauen
Cottbus. Seit das Land Brandenburg 1990 wiedererstanden ist, experimentiert Politik an seinem Bildungssystem. Es ist inzwischen besser als sein Ruf, wohl aber längst nicht fertig. Bildungsministerin Martina Münch schwebt „eine Schule für alle“ vor, in der „alle Kinder gut gemeinsam lernen“. Redakteur Jürgen HEINRICH sprach mit ihr:
Sie sind gerade zu Schulvisitationen im Land unterwegs. Trauen Sie dem Frieden nicht?
M. MÜNCH: So lässt sich das nicht fassen (schmunzelt).
Wir haben die Visitationen seit 2006. Alle fünf Jahre soll jeder dran sein. Jetzt läuft gerade die zweite Welle. Unabhängige Kommissionen prüfen die Schulen auf Herz und Nieren. Da geht es um Mitbestimmung, Weiterbildung und vieles mehr. Auch Unterrichtsproben werden beobachtet, und von allem gibt es nach einigen Prüfungstagen gleich ein Ergebnis, das mit den Beteiligten, auch dem Schulträger, besprochen wird.
Sie sitzen dann auch selbst mal hinten in der Klasse.
Ja, ich habe das in Großräschen erlebt, einer früheren Schwerpunktschule, die jetzt Vorzeige-Oberschule ist, wo mir besonders die vielfache Vernetzung zu Unternehmen gefällt. Das ist dort Oberschule für die Praxis.
Wenn die Ministerin kommt, sieht sowas doch immer nett aus, oder?
Also, ich sitze da mittendrin, ohne aktive Rolle. Das ist zunächst schon problematisch, da mache ich mir nichts vor. Aber ich habe erklärt, ich bin kein Drachen, und ich seh’ ja auch nicht so aus, denk’ ich.
Gibt’s Alternativen?
Zu den Visitationen? Nein, aber wir wollen gern die Instrumente der Selbstevaluation zur Anwendung bringen. Schüler beurteilen ihre Lehrer. Die’s probiert haben, sind begeistert.
Jetzt sind Sie im Land unterwegs unter der Überschrift „Bildungsland Brandenburg“. Wo wollen Sie hin?
Zunächst will ich mit den Menschen über Schule reden. Es gibt viele noch offene Themen. Was ist ein Abi wert? Wie kommen wir Unterrichtsausfall bei? Wo stehen wir in der Inklusion?
Und was ist ein Abi wert?
Sehr viel. Und der Weg dorthin ist anstrengend, wird es bleiben müssen. Mit acht (in anderen Bundesländern) bzw. sechs Sekundar-Jahren bis zum Abitur haben wir eine Verdichtung von Schule gegenüber den bisher grundsätzlich 13 Jahren bis zum Abitur. Das fordert Schüler stärker. Meine Kollegen aus westlichen Bundesländern wollen schon wieder zurück, aber ich halte fest am Abitur nach zwölf Jahren an Gymnasien.
Sie wollen andere Schulformen stärken?
Ich will insgesamt das durchlässige System Schule. Wir haben ja zum Glück die sehr gefragte Gesamtschule, an der sich Schüler (und Eltern) sozusagen unterwegs entscheiden können, ob nach 13 Jahren das Abitur stehen soll. Auch aus Oberschulen ist der Wechsel aus der 10. in die 11. Klasse möglich, derzeit aber selten. Wir wollen deshalb Oberschule und Gesamtschule angleichen. Und es wäre gut, wenn Eltern viel differenzierter an die Schulwahl herangingen. Es müssen nicht 50 Prozent aller Sechstklässler zum Gymnasium.
Und Hochschulen bieten inzwischen sogar Zugang ohne Abitur an.
Das stimmt. Die BTU Cottbus-Senftenberg zum Beispiel kennt diesen Weg. Ich verstehe sehr gut, was da im technischen Bereich möglich ist. Mehrfach konnte ich zum Beispiel in der Handwerkskammer Cottbus an der feierlichen Ausgabe von Meisterbriefen teilnehmen. Mir sind dort junge Menschen von großer Lebensreife begegnet. Da liegt es nahe, dass manche davon ihre Ausbildung bis zum Bachelor oder noch weiter fortsetzen möchten und können.
Seit drei Jahren verleihen Sie den Lehrerpreis. Was sind die Kriterien dabei?
Die Kandidaten werden von den Schulkonferenzen vorgeschlagen. Es gibt drei Nominierungen je Landkreis. Erfolgreiche Lehrer, das wissen wir inzwischen, begreifen sich als Teil eines Teams ihrer Schule – gar nicht so sehr als „Einzelkämpfer“. Wir hatten immer Preisträger, die bei Schülern und Kollegen sehr geschätzt werden.
Kann es sein, dass künftig noch Schulen geschlossen werden?
Wir wollen alle Standorte halten. Aber wenn Sie die Außenbereiche zum Beispiel in Spree-Neiße meinen – da müssen wir genau hinschauen. Wenn die Klassen zu klein werden, hat Unterricht dort kaum noch Sinn. Nicht wirtschaftlich, sondern im Interesse der Kinder, die ja gute Schule erleben sollen.
Danke für das Gespräch.
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