Bohsdorf und Amphi: neueBühne-Premieren mit Strittmatter und fast Molière.
Region. „Ich war Esau“ bekennt der Dichter und zugleich Knabe (Roland Kurzweg) im Schlussmonolog zu Geigen- und Dudelsack-Klängen (Wolfgang Kotissek) als Erklärung des eigentümlichen Titels: „Ganz anders wer: Erwin Strittmatter“.
Die neueBühne ging zur ersten Premiere nach langer Zwangspause ins Bohsdorfer „Laden“ Grundstück „unter Eechen“, wo sich Fiktion und Realität so einzigartig überlagern und szenische Bilder vor jeweils nur zwei (!) Zuschauern erblühen. Alles dreht sich um Esau, also Jung-Erwin, und die erwachsenen Quellen seiner später so reichen Phantasie sprudeln hier heftig: Großvater Kraske (Michael Becker a.G.) am Teich – „Du werscht een großer Pferdekenner“ – die französelnde Mutter in ihrer mondänen Laden-Welt (köstlich entrückt Anna Schönberg), die fürsorgliche Großmutter oben in der Stube (Sybille Böversen), der eitle Gockel, „unter uns Männern, Bäcke ist nischte“, und Bäcker-Vater (Daniel Borgwardt) und schließlich die geheimnisvolle sorbisch-deutsche Tante (Zauberin im Stall Catharina Struwe) – sie alle formen den kleinen Esau (in der Premiere schön introvertiert Justin Schurmann) und sind gemeinsam die Zeuger dieses Ganz-wer-Anders, des Dichters aus der Heede, den Frank Döwel (Buch und Regie) hier im Stationenrund vorführt. Aufwendige Kostüme hat Volker Deutschmann entworfen, Hanne Lauch Interieur in die Stuben gebracht. Am 13., 18. und 20. Juni gibt es weitere Vorstellungen im Dichterort Bohsdorf.
Flut im Amphi-Theater
Die Lausitzer Applaus-Premiere nach fast acht Monaten Entzug trug sich im Amphi am Großkoschener Strand zu. Nur 100 Gäste (statt sonst bis zu 600) waren zugelassen und die rührten die Hände heftig. Das Ensemble machte ganz ungeniert (und hier am Ferienort sinnvoll) auf Klamotte, was erst einmal gekonnt sein will. Ausstatter Mike Hahne sorgte mit gut beheiztem Seerosenbottich vor rotem Vorhang-Fachwerk für nassforschen Witz. Reihenweise fielen die Protagonisten in voller Montur ins aufspritzende Wasser.
Die Mollier-Geschichte ist umgegendert. Nicht er, sondern sie ist Arzt wider willen, nicht eine Tochter, sondern einen Sohn gilt es (scheinbar) zu heilen, und auch sonst riskiert Tilo Esche (Buch und Regie) noch weit mehr unterhaltsames Durcheinander, als der umtriebige Franzose ohnehin schon liefert. Esra Maria Kreder spielt eine raufboldige Martine, die auch mal kokettieren und sicher ganz schön täuschen und auch tauchen kann. Sie hält die Zügel fest in der Hand, ohne aufzuhören, sich nach einem starken Sganarelle (Dimitrij Breuer) zu sehnen. In turbulenten Doppelbesetzungen spielen und singen weiter Marianne Helene Jordan, Luca Robert Eder, ein zwittriger Leon Haller und Sara Simons. – Wer hätte auf solch drallen Sommerspaß gehofft!? Das lohnt sich! Es gibt, einschließlich dieses Wochenende, noch zehn Vorstellungen.
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