Die schönste Zeit im Leben war die Spinntezeit

Robert Behla, Arzt und Dichter aus Luckau, beschrieb in „Spreewaldklänge“ lebendiges Brauchtum.

Sprewealdklänge
Nur noch in guten Hausbiliotheken zu finden: Robert Behlas „Sprewealdklänge“, erschienen 1895 im Lübbenauer Verlag der Spreewald-Buchhandlung E. Bruchmann – 200 Seiten Poesie und Prosa dieser Gegend.

Region. Die wendische Fastnacht, die jetzt wieder Cottbuser Stadtteile und spreewaldnahe Dörfer mit bunter Lust erblühen lässt, ist eigentlich ein Brauch, der zum Arbeitsleben gehört. Mit der Fastnacht, so lehrt Buchautor Gerhard Gräbig aus Sielow, endete die „Spinnte“, das gemeinschaftliche Spinnen der Mädchen in einer Spinnstube. Diese wichtige Arbeit wurde emsig erledigt, dabei gesungen und geflachst, wer wohl die Jungen da draußen sind, die versuchen, Blicke durchs Fenster zu erhaschen. So waren Spinnte und Fastnacht auch und vor allem das wichtigste familienpolitische Ereignis im Dorf. Denn hier fanden sich die Paare fürs Leben.

Viele Autoren haben dieses zauberhafte Brauchtum über die Jahre beschrieben und besungen. In besonderer Weise tat sich dabei ein bedeutender Arzt aus Luckau hervor: Robert Behla (1850-1921). Er ließ sich 1875 als Arzt in seiner Heimatstadt nieder, gelangte als Mediziner zu überregionaler Bedeutung und wurde 1884 Mitbegründer der Niederlausitzer Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte, deren Ehrenmitglied er 1920 wurde. Er hatte drei Töchter, die ihn womöglich in seiner poetischen Begabung inspirierten. Behla hat wie kaum ein anderer die melancholische Seele der schwer arbeitenden und leidenschaftlich fühlenden Menschen des Spreewaldes in poetische Worte gefasst. Er besingt den Zauberbann des dämmergrünen Blätterrauschens im Erlenwald, des Spreewaldes Schönheit und alle bekannten Sagenerscheinungen. 155 Gedichte enthält sein schönstes Buch, das wohl in dem damals gerade in Schwung kommenden Berliner Tourismus im Lübbenauer und Burger Spreewald Interesse fand, zumal es sich als fein ausgestattetes Büchlein in vornehmen Dunkelgrün mit goldgeprägter Schrift präsentierte.

Heute wird im Spreewald nur noch museal und sonst gar nicht gesponnen. Die Jugend der Orte und Ortsteile findet aber nach wie vor bei der wendischen Fastnacht und ihrem Prolog, dem Zampern, zueinander. Von alteingesessenen Familien wird deshalb dieses Brauchtum nach Kräften unterstützt. Wenn die Zamperer, bunt kostümiert, in kalten Wintertagen durch die Straßen ziehen, oft in Gruppen zu 40 und mehr Personen, richten jene, die einst selbst im Reigen der schmucken Paare mitliefen, „der Meute“ üppige Mittagsmahle oder laden sie zum Vesper ein. Ohnehin geben sie Speck und Eier, die traditionell am Abend des Zampergangs in großen Pfannen zum Schmaus bereitet werden, Der Appetit ist groß nach vielen Stunden an frischer Luft. Die Mengen an Alkohol (meist Kirschlikör und Bier), die unterwegs konsumiert werden, sind rückläufig. Man achtet wohl darauf, eine gute Figur abzugeben und will die Partnerwahl für die Festnacht eine Woche später nicht riskieren.

„Die Fastnacht“, schreibt Gerhad Gräbig in seinem 1999 erschienenen Lesebuch, „ist das größte aller Gemeinschaftsfeste im Laufe des Jahres. Nirgends sonst schmücken sich so viele Mädchen und Frauen mit der prächtigen Tracht, zu keinem anderen Ereignis kommen so viele Besucher in die Dörfer. Die Fastnacht hat mindestens 150jährige Tradition, und sie hat sich wie kaum ein anderes Fest ihre Ursprünglichkeit bewahrt.“ Und das, obwohl es den eigentlichen Ursprung, die Spinnte, schon seit vielen Jahrzehnten gar nicht mehr gibt. Behlas „Spreewaldklänge“ sind wohl vergriffen, aber Gräbigs Lesebuch „Wendische Fastnacht“ gibt es noch vereinzelt.

 

R. Behla “Die Spinnte”

Drei Mädchen, jung an Jahren,
Sie spannen in Burg zu drein,
Beisammen in einer Spinte
Und jede wollte frei’n.

Sie waren munter und scherzten,
Es war eine fröhliche Zeit,
Die Sinne voll rosiger Hoffnung,
Die Herzen frei und weit.

Sie saßen dort und spielten
Manch Spiel im trauten Haus,
Gar oftmals sie sich fragten:
Wie sieht Dein Liebster aus?

Da freit die eine nach Leipe,
Die andere nach Lehde fort.
Kein Freier kam zur dritten;
Sie spinnt noch immer dort.

Die anderen beiden hatten
Schon Kind und Kindeskind.
Die Ditte blieb hier am Spinnrad;
Sie sitzt daheim und spinnt.

Sie sitzt im Auszugsstübchen,
Schon alt und so allein.
Die Augen sehen schon trübe.
Sie spinnt nicht mehr so fein.

So traurig spinnt die Alte
Und denkt vergangener Zeit.
Die schönste Zeit im Leben
War ihre Spintezeit.

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