„Ich bin dafür, dass Bürger über die Gesetze mitentscheiden können“

Marianne Spring Raeumschuessel 2017
Vor allem der Steuer- und Wirtschaftspolitik hat sich Marianne Spring-Räumschüssel (AfD) für die Bundestagswahl
verschrieben Foto: M. Klinkmüller

Marianne Spring-Räumschüssel (AfD) stellt als Direktkandidatin des  Wahlkreises Cottbus-Spree-Neiße ihre Ideen für die Bundestagswahl im September vor

Am 24. September ist Bundestagswahl. Die Direktkandidaten wollen die Region mit ihren  Themen vertreten. Marianne Spring-Räumschüssel ist die Kandidatin der AfD im Wahlkreis 64  (Cottbus-Spree-Neiße). Im Gespräch erklärt die gelernte Industriekauffrau und studierte Ökonomin ihre Ideen. Sie ist Fraktionsvorsitzende der AfD Cottbus und auch Kreisvorsitzende. Seit 2003 ist die gebürtige Gubenerin in der Cottbuser Stadtpolitik aktiv. Vor der AfD (Eintritt 2013)  engagierte sie sich in der FDP und der Frauenliste innerhalb des Cottbuser Stadtparlamentes.


Frau Spring-Räumschüssel, mit welchem Thema wollen Sie im Wahlkampf punkten?

M. Spring-Räumschüssel: Mir geht es vor allem um die Unterstützung des Klein- und  Mittelstandes.

Das heißt konkret?

Auf die Region bezogen setze ich mich für den Erhalt der Arbeitsplätze aus der Braunkohle-Industrie ein. Wenn wir an diesem wirtschaftlichen Anker nicht festhalten, profitiert nur die Umzugsbranche.

So pessimistisch?

Realistisch. Wir haben bereits gesehen, was mit den Haushalten in den Kommunen passiert, wenn hier die Steuereinnahmen fehlen. Es ist derzeit weder ein Ersatz bei der Energie in Sicht noch bei den Arbeitsplätzen. Solange es hier keine Lösungen gibt, ist Pragmatismus gefragt.

Regenerativen Energien geben Sie keine Chance?

Mir wird zu viel auf die Karte von Wind und Sonne gesetzt. Mit beidem ist die Lausitz nicht unbedingt gesegnet. Hier muss sich breiter aufgestellt werden. Ich denke da auch an die Erdwärme.

Sie haben die Kommunalfinanzen angesprochen. Haben Sie Ideen, die Kommunen zu stärken?

Sehr konkrete sogar. Die Finanzierung muss hier neu justiert werden. Bisher gehen von einhundert Euro Steuereinnahmen jeweils 42,50 Euro an Bund und Länder und 15 Euro an die Kommunen. Ich bin für jeweils 40 Euro für Bund und Länder und 20 Euro an die Kommunen.

Was soll diese Umverteilung bringen?
Vor allem weniger Bürokratie. Die Fördermittel-Anträge fressen viel personelle Kraft und Energie bei den Kommunen. Ob Straßen  in Döbbrick oder Kiekebusch – ich erlebe seit Jahren auch in meinem Wahlkreis, wie hier die Mittel  fehlen. Das Geld sollte vor Ort landen, wo die Entscheider am besten wissen, wie es eingesetzt werden kann.

Im AfD-Wahlprogramm steht das aber nicht.

Als Direktkandidatin bringe ich viele eigene Ideen ein. Ich will beweisen, dass wir keine Protestpartei sind, sondern konkrete Lösungsvorschläge für Probleme vor Ort haben. Ich sehe keinen Widerspruch darin, das Parteiprogramm zu unterstützen und trotzdem eigene Akzente zu setzen. Das erwartet der Wähler auch von einem Direktkandidaten.

Wie wollen Sie dem Mittelstand helfen?

Steuern senken. Der Eingangssteuersatz muss sinken genauso wie der Spitzensteuersatz. Es darf nicht sein, das gut ausgebildete Facharbeiter bereits den Spitzensteuersatz bezahlen. Ich favorisiere die Zielmarke für den Spitzensteuersatz beim fünffachen des Durchschnittseinkommens.

Wie wird das gegenfinanziert?

Wir haben kein Einnahmeproblem. Deshalb plädiere ich auch für die Abschaffung der Erbschaftssteuer. Übrigens bin ich für die Einführung des Straftatbestandes bei Steuerverschwendung. Experten gehen hier von 30 Milliarden Euro pro Jahr aus. Der Berliner Flughafen-Bau ist hier ein gutes Beispiel. Hier reden sich  Politiker Fachwissen ein, welches sie nicht haben. Um konkret zu bleiben: Am Herzen liegt mir seit Jahren die Umsatzsteuer bei Unternehmern.

Die wollen Sie auch verringern?

Nein. Ich möchte endlich die Gleichbehandlung zu den Freiberuflern erreichen. Handwerker und Gewerbetreibende sollten sich ebenfalls ohne Umsatzgröße zwischen der Soll- oder Ist-Besteuerung entscheiden dürfen.

Was versprechen Sie sich davon?

In unserer Region gibt es eine Eigenkapitalschwäche. Dieses Kapital  wird für Investitionen dringend benötigt.

Sie verknüpfen die Asylpolitik gern mit der Infrastruktur. Warum?

Weil die jetzige Asylpolitik ein Standortnachteil ist. Investoren schauen auch auf die Innere Sicherheit.

Wie sieht Ihr Konzept aus?

Solange die EU-Außengrenzen nicht gesichert sind, muss es wieder Kontrollen an den Binnengrenzen geben. Ich reise sehr viel. Kein anderes Land darf ich ohne Papiere betreten. Meist brauche ich gar ein Visum.

Abschotten also?

Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt. Was die Flüchtlinge aus Afrika anbelangt, so müssen die Prüfverfahren bereits in Afrika beginnen, damit sich erst niemand auf den Weg nach Europa macht. Wer in Seenot gerät, muss, und das ist Rechtslage, zum nächsten Hafen gebracht werden und nicht nach Italien. In Australien wird kein geretteter Wirtschaftsflüchtling auf den Kontinent gebracht. Daher gibt es hier auch keinen Anreiz, sich auf die Reise dorthin zu machen.

Ist Europa nicht stark genug, um zu helfen?

Gerade weil Europa noch ein starker Kontinent ist, sollte diese Stärke nicht aufs Spiel gesetzt werden. Wir haben als Politiker auch die Verantwortung für unsere Bürger.

Zurück zur Infrastruktur. Woran mangelt es denn, wenn genug Steuergeld da ist?

Wir dürfen unsere Standortvorteile nicht aufs Spiel setzen. Vor allem müssen wir das Planungsrecht entrümpeln. Die Planungen dauern viel zu lange. Uns muss bewusst sein, dass die Wirtschaftskraft und der Wohlstand vom guten Zustand der Straßen, Schienen und Brücken abhängig sind. Übrigens ist es auch kein Investoren-Anreiz, dass die Stromkosten in der Lausitz so hoch sind. Auch das ist ein Standortnachteil, der weg muss.

Sie setzen sich für direkte Demokratie ein. Wie soll die in der Praxis aussehen?

Ich bin dafür, dass Bürger über Gesetze mitentscheiden können. Der Stadtstaat Hamburg hat das fakultative Referendum bereits eingeführt. Die Bürger können so Gesetze auch zu Fall bringen.

Ist das nicht ein riesiger bürokratischer Aufwand?

Demokratie ist immer ein Aufwand. Er lohnt sich aber. Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid – diese vielen Zwischenschritte, bei denen die Bürger immer wieder ihre Unterschrift abgeben müssen, sorgen doch nur für Verdruss und Politikmüdigkeit. Der Bürger ist  nicht alle vier Jahre das Stimmvieh. Er ist der Souverän. Dieses Gefühl müssen wir wieder in die Köpfe bekommen. Das wäre gelebte Demokratie. Der mangelnde Respekt vor Politikern ist ein Sinnbild von nicht gelebter Demokratie.

Die AfD stand einst für die Kritik an Europa. Ist das kein Thema mehr?

Wegen diesem Thema bin ich in die Partei eingetreten. Die Europapolitik bleibt ein wichtiges Kernthema und im Klartext gesagt: Kein Land ist für die Schulden anderer Länder verantwortlich. Das hat nichts mit fehlender Solidarität, sondern etwas  mit Rechtsstaatlichkeit zu tun. Wo auf dem Etikett Rechtsstaat drauf steht, muss auch Rechtsstaatlichkeit drin stecken.

Danke für das Gespräch.
Mit Marianne Spring-Räumschüssel sprach Mathias Klinkmüller