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Mal wieder herzhafte Operette am Staatstheater Anmerkungen zum historisierten „Weißen Röss’l“
Cottbus. Jeder kennt hektischen Gruppentourismus. Der fällt ein ins „Röss’l“ im Salzkammergut. „Zu Ihre Rechten – on your right, auf der linken Seite…“ Reiseführerin Sandra Bösel (trefflich) drückt auf Tempo. Gelegenheit für Leopold, den Zahlkellner, für seinen ersten Auftritt: „Aber meine Herrschaften…“ er will’s gemütlich. Großstadtlärm trifft auf ländliche Idylle. Das brachte als Lustspiel von Blumenthal/Kadelburg volle Häuser im Berlin der Kaiserzeit, Erik Charell hat die Story eins zu eins übernommen und mit der Musik von Ralph Benatzky, Robert Gilbert und Robbert Stolz einen Welterfolg daraus gemacht, der jetzt in Cottbus nachhallt.
Der freie Regisseur Kay Link, erstmals hier am Werk, hat sich entschieden, nahe an der Originalfassung von 1930 zu spielen, was aber nur in einer Szene zum Tragen kommt, als sich Nazis andienen wollen und vertrieben werden. Zahlkellner Heiko Walter singt sich hier heftig aus der Szene: „Zuschaun’n kann i net…“ wenn sich die Menschen bekämpfen und streiten…“ Das Publikum versteht, applaudiert kräftig.
Dann aber schnörkelt sich Link im engen Bild von Bernhard Niechotz, ebenfalls erstmals hier als Gast, durch genüsslichen Stad’l-Schmus und setzt allerlei Pointen. Im Mittelpunkt stehen Leopold, den Heiko Walter mit Diensteifer, „Kalbsaugen“, wie Josepha meint, und gehöriger Eifersucht ausstattet. Seine Lieder tragen die Stimmung von Beginn an. Die verwitwete Wirtin, der er kühn zusingt: „Es muss was Wunderbares sein, von dir geliebt zu werden“, ist Gesine Forberger, großartige Opernsängerin, die sich ferderleicht in der Operette bewegt, sogar in übermütigen Sprüngen. Sie hat allerdings ein Auge auf Stammgast Dr. Siedler geworfen, in klarem Tenor und unverklärtem Spiel (trotz „himmelblauer“ Sicht) von Hardy Brachmann verkörpert. Der verfällt Hals über Kopf der kessen Tochter des Trikotagenfabrikanten, dem Leopold das einzige Balkon Zimmer gegeben hat. Diesen großmäuligen Berliner Unternehmer spielt Heiko Stang a.G. mit viel Präsenz und wenig Stimme, seine Tochter ist anschmiegsam und stimmlich liebenswert Debra Stanley.
Einen schusseligen Gelehrten (prächtig in der Nebenrolle!) spielt Matthias Bleidorn, der endlich wieder solistisch zu erleben ist. Ihn begleitet mit süßem Sprachfehler seine Tochter Klärchen (Mirjam Miesterfeldt), die den schönen Siegismund (Torsten Coers) erdet. Ein denkbar gelungener Piccolo ist der naiv-gefügige Fabian Patrice Loeschke.
So nimmt also in optimaler Besetzung das Geschehen seinen Lauf, getragen vom Orchester unter Leitung von Johannes Zurl. Es spielt schwungvoll, wenn die Handwerker-Tänzer von der Rüstung springen (Choreografie Julia Grunwald) und auch, wenn beim Schau-Melken drei Schwarzbunte ihre Kuhhintern schwenken. Dafür rücken die spitzen Berge zur Seite, damit sich das „Röss’l“ auf der Drehbühne abkehren kann.
Es kommt besser: Die 1930er Operette bringt, als Fortentwicklung des Lustspiels den Kaiser ins Hotel am See. Der kommt hier in Gestalt des hochverehrten Max Ruda (mal wieder, zuletzt war der längst pensionierte Tenor 2017 ein Kaiser in Schülers „Turandot“) und singt – kein Scherz – „Santa Maria…“ Dieser Kaiser mit großem Auftritt ist ein Schlagerstar Roland Kaiser. Soviel zum wiederentdeckten und hier angewandten Aufführungsmaterial von 1930.
Der Ruda-Kaiser (welcher immer es sei) kommt allerdings mit viel Pomp daher. Nicole Lorenz hat das hier wie bei den vielen anderen Figuren dieser reich ausgestatteten Operette wundervoll hinbekommen. So muss es auch sein. Das wird Kay Links Arbeit dem Original gleich haben: Volle Häuser. Diesen Sonnabend (1.2.) kommt es wieder, dann oft. J.Heinrich
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