OB Holger Kelch und Stadtverordneten-Vorsteher Reihard Drogla blicken nach vorn / In der ablaufenden Wahlperiode waren sie Getriebene.
Cottbus (hnr.) Das war ein Talk ohne „Master“, vergangene Woche Donnerstag. Hoffmanns Gäste stellten selbst die Fragen, und die waren nicht einmal bequem. Am offensivsten trieb es der OB: „Es stehen Kommunalwahlen an und Leute fragen: Steht der Kelch auch zur Abwahl?“ Nein, antwortet er sich, „selbst wenn es die Leute wollten.“ Er ist für acht Jahre bestellt und hat viereinhalb durchgestanden. Nennenswertes, das ahnt er wohl, entstand dabei nicht. Die Szymanski-Projekte wurden zuende geführt (Bahnhof, Stadtumbau), ansonsten herrschte Schadensbegrenzung: Altanschließer-
rückzahlung, Abwehr der Einkreisung, Flüchtlingsstress, Gerichtsurteil zur ungültigen Wahl.
Zur Vorab-Frage: Was macht das Amt mit dem Menschen? blieb das Gespräch flach. Kelch: „Da müsste man seine Freunde, Bekannten und Verwandten fragen.“ Der Rest war dann Kritik an der zunehmend kommentierenden statt referierend-hörigen Berichterstattung in den Medien und die Forderung nach Bestrafung der Hass-Mail-Erzeuger.
Reinhard Drogla gab sich nicht ganz so zornig. Er sang zunächst zur Gitarre: „Hier komm’ ich her und komm’ nicht weg..“, ein Song zwischen Reinhard Mey und Gundermann, mit viel Kohlenstaub und etwas Wehmut. Aus Brieske-Ost über Senftenberg geriet der Dipl.-Bauingenieur nach Cottbus, legte den Grundstein mit für Sachsendorf und tingelte ab 1981 als Sänger durchs Land. 1991 gründete er das Piccolo, 1998 ließ er sich für die SPD auf einen Wahlliste setzen, wurde parteilos Fraktionsvorsitzender. „Szymanski, Neisener und Baer legten mir eines Tages in der Kneipe den ausgefüllten SPD-Antrag vor. Ich unterschrieb, aber ich überlege noch heute manchmal, ob das richtig war.“
Die aktuell auslaufende Wahlperiode habe kritisch begonnen, erinnert er sich. Das Parlament war durch tiefe Gräben entzweit wie nie zuvor. Das Problem hieß Altanschließer. Der OB wirft ein: „Da hat der Gesetzgeber versagt, das Land mit allen etablierten Parteien. Aber die Gerichte haben hier korrigiert. Das ist doch gut, dass soetwas möglich ist.“ Dennoch, das Ehrenamt hatte und hat es schwer. Drogla sieht es als Last: „Du fällst aus der normalen, schützenden Anonymität heraus. Ich geh’ in Cottbus nicht mehr in die Sauna. Irgendjemand spricht Dich immer unter der Dusche an: Sie sind doch der und der… Das ist eine unangenehme Situation.“ Er fühlt die Nähe der vertrauten Provinz dennoch als schützend, „weil die Leute taktvoll bleiben.“ Oft kommt das Ansprechen aus Wertschätzung. Er bleibt aber zweifelnd, entdeckt sich zunehmend dabei, „dass man über Dinge hinweggeht, meint, man wisse Bescheid und fängt an zu erklären statt zuzuhören.“ Das sei wichtig, „dass man bei sich bleibt und das Zuhören nicht verlernt.“
Trotz dieser verhaltenen Nachdenklichkeit schlägt Reinhard Drogla die nächste Frage aus. Sie richtet sich auf Weltpolitik, Wahlen in den USA. „Bleiben wir doch bei unseren Wahlen. Ja, ich kandidiere wieder. Nein, ich glaube nicht, dass die Leute Parteien und Programme wählen. Sie wählen Personen, denen sie etwas zutrauen. Denn es gibt in Cottbus weder CDU- noch SPD-Straßen, sondern nur gute oder schlechte Straßen. So simpel liegt das Handlungsfeld.“
Allerdings meint er zu erkennen: „Es gilt in Cottbus wie in anderen Orten ein großes Maß an Unzufriedenheit. Das liegt an den Parteien und der Bundes- und Landespolitik. Das sickert durch und wird sich in der Kommunalwahl niederschlagen.“ Er rechnet mit Kreuzen der Unzufriedenheit, bleibt aber überzeugt, „dass es auch nach dem 26. Mai im Cottbuser Stadtparlament eine gute demokratische Mitte geben wird, die sich schnell findet und Verantwortung übernehmen kann.“
Kelch: „Falls Reinhard Drogla wieder Stadtverordneten-Vorsteher wird, gehen die Dialoge weiter.“ Zusammen haben sie sich das ausgedacht. Der Volksmund sagt, Drogla habe es dem OB „eingeflüstert“. Der sagt „Ich habe bei solchen Veranstaltungen Leute hochgeladen kommen und ganz zufrieden wieder gehen sehen“.
Nach einigen vagen Strukturwandel-Spekulationen (Kelch. „Nie wieder kommt in so kurzer Zeit so viel Geld in die Stadt“) empfiehlt Reinhard Drogla abschließend: „Wir sollten Optimismus verbreiten und wieder lernen, freier zu atmen, nach vorne zu schauen und die Brust zu öffnen, nicht die Mundwinkel runter ziehen.“
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