Cottbus (GHZ). Ein Haushalt mit 100 Millionen Euro Defizit, dazu ein Sicherungs-Konzept, von dem niemand weiß, ob es tatsächlich greift, eine nach wie vor gespaltene Bürgerstimmung zum ECE-Projekt für die Innenstadt, die offene Kino-Frage, hoffentlich gute Signale zu anstehenden Eingemeindungen und, wenn’s geht, nach der schönen Tribünen-Eröffnung endlich ein Energie Heimsieg – so vielschichtig und im Detail noch weit brisanter ist die Cottbuser Lage nach der parlamentarischen Sommerpause. Für die Oberbürgermeisterin ist die vorbei; Jürgen sprach mit ihr.
• Sie haben sich hoffentlich nachhaltig erholt?
K. RÄTZEL: Ja, sehr. Als geübte Camperin war ich mit dem Wohnmobil unterwegs. Tausende Kilometer Natur pur in Irland.
• Das Regieren geht wieder los. Woran erinnern Sie sich zuerst nach der Sommerpause?
K. RÄTZEL: Daß wir alle zusammen, Verwaltung und Stadtverordnetenversammlung, zuletzt sehr erfolgreich waren. Im Mai und Juni haben wir wichtige Dinge festgeklopft, nach hartem Ringen, wie die Auslagerung der Wirtschaftsförderung und die Umwandlung des Carl-Thiem-Klinikums in eine gGmbH.
• Die Entwicklungs-Gesellschaft Cottbus formiert sich. Was ist darunter zu verstehen?
K. RÄTZEL: Mit der Stadt sind die GWC, die LWG und die Stadtwerke Gesellschafter; Sie sehen also an dieser Konstellation: wir bündeln eigenes Management-Potential. Es entsteht eine Wirtschaftsförderung außerhalb der Stadt, die also nicht unter Haushaltsperren und solchen Dingen zu leiden hat und auch „aggressiv“ akquirieren kann, und zwar international mit garantierter Bewegungsfreiheit. Der Gesellschaftszweck wird jetzt gerade definiert. Die EGC steht also am Start.
• Sie sucht Investoren. Wofür? Für neu einzugemeindende Äcker?
K.RÄTZEL: Nein doch. Die Zeit dieser Erschließungen ist doch vorbei und alle haben gelernt: Erschließen von Gewerbegebieten ist noch nicht füllen. Wir haben diese Gebiete, sehr attraktive dazu. Der EGC gehören bereits große Flugplatzflächen, wir haben direkt an der Autobahn die Sachsendorfer Fläche, im Gewerbegebiet Nord gibt es Kapazitäten und andeswo auch.
• Bautätigkeit beobachten wir diesen Sommer vor allem mit Lidl-Beschilderung.
K. RÄTZEL: Es war ja eines meiner Wahlthemen, daß wir die Menschen in den Wohngebieten wieder näher versorgen müssen. Das passiert jetzt mit neuen Märkten am ehemaligen Raw, in der Dissenchener und in der Willy-Brandt-Straße. Auch in Sachsendorf geht’s mit dem „Forum“ los. Das wird ein kleines Einkaufszentrum mit ausreichend Parkplätzen auch für Kunden aus anderen Stadtteilen. Die Erteilung der Baugenehmigung steht hier unmittelbar bevor. Auch im ehemaligen Straßenbahn-Betriebshof in der Berliner Straße entstehen Einzelhandel und eine Freizeiteinrichtung.
• Apropos Baugenehmigung. Die gibt es ja wohl fürs Kino. Aber passiert was?
K.RÄTZEL: Leider nicht – trotz weitgehender Klarheit von uns. Ich habe dem Bauantragsteller gerade einen Brief geschrieben: Die jetzige Stadtverordnetenversammlung würde gern noch den ersten Spatenstich begleiten…
• Aber einen ausgeglichenen Haushalt hinterläßt diese Stadtverordnetenversammlung ja gerade nicht.
K. RÄTZEL: Die scheidende Stadtverordnetenversammlung, das will ich ruhig mal klar sagen, hat eine sehr qualifizierte Arbeit, vor allem in den Ausschüssen, geleistet. Es kamen stets sehr durchdachte Vorlagen auf den Tisch, dank auch ordentlicher Zuarbeiten aus der Verwaltung. Die 100 Millionen Defizit sind ein anderes Thema. Wir werden sehen, ob das Sanierungs-Konzept akzeptiert wird und dann auch greift. Es geht ja um Anteilsverkäufe aus funktionierenden kommunalen Betrieben. Allemal ein Krisengeschäft, wenig zur Freude der Stadt.
• Da wird auf Geld gehofft. Es muß auch welches eingespart werden, oder?
K. RÄTZEL: Natürlich. Wir haben begrenzte Personalkosten bei 60 Millionen Euro, das Personal-Controling steht unter OB-Leitung. Eng mit dem Betriebsrat wird befunden, wo im Einzelfalle bis zu 30 000 Euro zusätzlich für ausscheidende Mitarbeiter Abfindung gezahlt wird. Wir müssen den Service für Bürger durch moderne Medien mit weniger Leuten noch besser packen.
• Zu vernehmen war, daß Sie in der Sportförderung kürzen.
K.RÄTZEL: Zuerst muß hier die Frage nach Qualität stehen. Wenn der Olympiastützpunkt nicht an DDR-Erfolge anknüpfen kann oder aus der teuren Fußballschule nie ein Spieler im Profi-Lager ankommt, muss über die Ziele solcher Sachen scharf nachgedacht werden. Beste Bedingungen lassen sich nur finanzieren, wenn beste Leistungen in Aussicht stehen. Sonst kann jeder alles machen, aber nicht von Steuergeldern.
• Allmählich beginnt der Wahlkampf. Wie sehen Sie ihn?
K.RÄTZEL: Gelassen. Ich hoffe, die Bürger sehen nach Professionalität. Gegen alles zu sein, reicht nicht.
• Wird es pünktlich zu den Eingemeindungen kommen?
K.RÄTZEL: Ja. Alle Verhandlungen mit den Gemeinden verlaufen sehr harmonisch.
Danke für das Gespräch.
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