Philipp Rosendahls Romeo und Julia im Staatstheater Cottbus

Szenenbild
Lorenzo (Laureen Mace) reicht Julia (Nathalie Schörken) den Schlaftrunk. Shakespeares Liebestragödie wallt und hallt in faustischer Hexenküche. Im Publikum kurzes Lachen wegen der Flaschengröße, dann atemlose Stille… Foto: Frank Hammerschmid

Cottbus. Familienzwist? Standesdünkel und Generationengezänk? – Das reicht nicht für Shakespeares großen Atem in dieser Zeit. Philipp Rosendahl, der junge Co-Schauspieldirektor dieses Hauses, lässt die Capulets und Mercutios auf schwarzen Felshügeln grollen, eine nicht sichtbare, umso heftiger spürbare Mauer aus Wut und Hass dazwischen; schwarz sonst alles, zeitweilig in dichtem Dampf aufgehend. Dazu grelles Licht gegen verklärte Augen, tragende Musik von Marco Mlynek. „Ein großer Haufen ungeahnten Nichts… Uns’re Türen wurden abgebaut, abgeschrieben…“ dichtet Rosendahl im Prolog, und diese mechanische, irgendwie, irgendwann (von wem?) aufgezogene Figur plärrt spastisch ihre Worte: „Wir sind ja das Nichts.“ Und meint: Ihr da, ein bisschen wie Brecht – glotzt nicht!
Philipp Rosendahl, Jahrgang ‘90, jetzt einer von drei Direktoren des Schauspiels, hat sich Zeit genommen und Mut gefasst für seine erste Regiearbeit. Seinen Weltschmerz („Die Lausitz hat ein großes Problem…) schiebt er dem weltberühmtesten Paar ins Liebesbett. Und wie. Er bedient sich aller Mittel modernen und traditionellen Theaters und zelebriert ein gleichermaßen verwirrendes wie atemberaubendes Schau-Spiel. Wir sahen die Vorstellung nach der Premiere, das Haus zu 90 Prozent besetzt mit Gymnasiasten, die übrigen Plätze von teils unschlüssigen, am Ende achtungsvoll-nachdenklichen Stammgä-
sten gefüllt. Die große, wärmende Poesie dieser Aufführung, ihr märchengleiches Gut und Böse haben überzeugt. Am Ende gibt es starken Beifall.
Die Liebesgeschichte kennt jedes Kind: Zwei sind entflammt füreinander, haben die etablierte Welt gegen sich, versuchen ein Zauber und sterben im Unfall. „Tragisch endet alles so / für Julia und Romeo“, konstatiert Thomas Harms als überschmückter Fürst. Licht aus.
Den Anfang hatte Lauren Mace performt, eine schauspielende Tänzerin, die einen Franziskaner (Lorenzo) effektvoll persifliert, dabei Rosendahls befrachtetes Nichts ins Dunkel hauchend.
Zwischen Laurenzos Auftritt und des Alten Abgang toben Schlachten, wird geliebt und gestorben, ganz wie es Shakespeare will und Rosendahl nicht verhindern mag. Herausragend im Ensemble von nur zehn Darstellern Sigrun Fischer als Julias Mutter, vom Eros getrieben und in Hysterie zerrasend. All ihre Gaben legt sie in diese allzu mütterliche Lady. Stark auch die Amme der Lisa Schützenberger. In weiteren Rollen Manolo Bertling (Tybalt), Markus Paul als der Julia zugedachte Paris, Torben Appel als Mercutio und Sophie Bock als Benvolio. Das Paar Julia/Romeo tritt als Betroffenes, über das alles Nichts hinwegrollt, weitestgehend zurück, der Romeo des Johannes Scheidweiler eher ängstlich, von den Umständen getrieben und geschüttelt. Die Julia ist mit Natalie Schörken nicht optimal besetzt. Sie ist die Handelnde, Selbstbewusste, aber ihre Liebe schmachtet so ganz und gar nicht, auch die Angst fehlt zum Text passend in ihren Augen. Wäre sie stark, würde diese Inszenierung zu den ganz großen Ereignissen im Gegenwartstheater zählen. Es bleibt auch so ein wundervolles Stück Theater, an dem Katherina Falter mit ihrer Steinwüsten-Klangbühne einen großen Anteil hat. Sie wurde in Dresden ausgebildet und stattet jetzt an großen Häusern aus. Die phantasiereichen Kostüme der Figuren rund um das schlicht angezogene Liebespaar dachte sich Philipp Basener aus, der aus München kommt und vom Schauspiel zum Design wechselte. Er hat hier in Cottbus schon bei „Two Penny Opera“ Kostüm und Video verantwortet.
Dieses Spiel nach Shakespeare ist sehr zu empfehlen, auch wenn es so aussehen mag, als sei Julia eine von den Klimaanarchistinnen (FSJ-Text im Programmheft). Ist sie nicht. Sie ist glücklos in einer Welt sturer Rechthaberei.
Die nächsten „Romeo und Julia“-Vorstellungen sind am Donnerstag, 22.12. und am Samstag, 14. Januar im nächsten Jahr.

J. Heinrich

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