Manchmal war es purer Existenzkampf, oft auch dynamischer Handwerks-Alltag – 100 Jahre Woschech-Maler zwischen Burg/Spreewald und Berlin
Malermeister Uwe Woschech (r.) in Goyatz am Schwielochsee mit Lothar Waske, Ehrenobermeister der Dachdeckerinnung, dessen Dachdeckerbetrieb schon auf 135 Jahre Familientradition zurückblicken kann. Beide verbindet Freundschaft und eine 65jährige Geschäftsbeziehung, die über drei Generationen andauert. Waskes Hafengebäude der einstigen Schwielochsee-Cottbuser Pferdeeisenbahn wurde in den letzten Jahren zum attraktiven Hotel und Restaurant ausgebaut. Den denkmalpflegerisch fachgerechten Anstrich besorgte der Malerbetrieb Woschech Fotos/Repros: J. Heinrich
Gute Ausführung zu mäßigen Preisen für Malerarbeiten aller Art“, versprach Erich Woschech in den 1930er Jahren Kunden in Burg und Umgebung. In den wenigen Worten steckt alles: Wer im dramatischen vergangenen Jahrhundert bestehen wollte, musste flexibel sein, gut kalkulieren und hart arbeiten. Das konnte der Cottbuser Bahnarbeitersohn Erich Woschech, den das Schicksal nicht auf weichen Daunen gebettet hatte.
Vom Laufjungen zum selbstständigen Unternehmer
Sie waren fünf Geschwister und Erich gerade vier, als die Mutter starb. Mit Schwester Elisabeth kam der Junge ins Berliner Johannesstift-Kinderheim. Das war nach dem Schicksalsschlag Glück in zweifacher Hinsicht: Im Gegensatz zu sonstigen Kinder-Verwahranstalten förderte dieses Stift seine Zöglinge. Erich konnte sich entwickeln und seine Schwester blieb lebenslang in Berlin, was sich später als großer Vorteil für den Unternehmensweg erweisen sollte. Der Knabe, Jahrgang 1899, begann seinen beruflichen Weg 1913 in Cottbus als Laufjunge, kam dann währende des Weltkrieges in eine Malerlehre in Vetschau, wurde spät Soldat und Regimentstrompeter und traf schließlich in noch unsicheren Zeiten seine künftige Frau, die Sattlermeisterstochter Lorenz in Burg. So ankerte Erich im Spreewald und meldete 1920 sein Gewerbe an. In der Burger Hauptstraße hatte er den Werkstattschuppen und er beließ es nicht beim Gesellenstand. Sein Meisterbrief aus Frankfurt/Oder trägt die Jahreszahl 1925.
Burg im Spreewald erlebte seine „Goldenen Zwanziger“
Es kamen Goldene Jahre für das Bauerndorf – der Tourismus boomte. Die Spreewaldbahn brachte Gäste aus Cottbus und Berlin, Hotels wie Bleske, die Linde und das Deutsche Haus boten Kost und Logis, zwei Arztvillen entstanden, die Bauern verdienten gut und das Gewerbe blühte, Handwerksburschen zogen durchs Dorf, und Erich Woschech konnte sie beschäftigen und größere Aufträge annehmen. Unterdessen stellte sich auch der Nachwuchs ein. 1925 ist Sohn Siegfried geboren, der später Kaufmann in Farben und Tapeten bei Petzold in der Cottbuser Friedrich-Ebert-Straße lernte, 1926 folgte Roland, der 1940 im väterlichen Betrieb in die Lehre ging. Nachzügler-Brüderchen Lothar war da gerade fünf Jahre alt. Wo die Woschechs agierten, begann Burg in frischen Farben zu erstrahlen – ein wunderbarer Beruf, fand Uwe Woschech, der heutige Meister, schon als Kind und sieht das noch jetzt genauso. „Opa und Vater waren für mich echte Vorbilder“, sagt er, zumal sie auch künstlerische Qualitäten entwickelten. Erich und auch Roland Woschech, der den Betrieb in zweiter Generation führte, malten Spreewaldlandschaften und alle Kirchen der Region – über Jahrzehnte die beliebtesten Geschenke für Verwandte der Spreewälder, die im Westen lebten.
Doch lange bevor die zweite Woschech-Generation an die Farbtöpfe kam, bröselte das 20er-Gold. Die Inflation wurde zur Bewährungsprobe für jedes Handwerk. „1923 hat Opa einen Neubau gemalert – der Rechnungsbetrag reichte am Ende gerade für einen Kübel Lack“, fand Uwe Woschech in der Firmen- und Familienchronik heraus. Einem Bauer in Müschen malte der Meister die Küche, Lohn waren ein halbes Brot und ein paar Eier.
Endlich Stabilität in den frühen Dreißigern
Anfang der 1930er Jahren kamen sie endlich wieder, die Wanderburschen aus dem Hunger-Berlin, fanden im Spreewald Brot und Arbeit. „Großmutter fütterte Schweine und Hühner – das half durch die Zeiten“, erzählt Uwe Woschech. Sein Vater hat immer von seiner Kindheit geschwärmt, vom vielen Spielzeug und vom Wohlstand. 1935 kaufte Großvater das Grundstück in der Hauptstraße und1938 schaffte er sogar ein Auto an. Das konfiszierte die Wehrmacht aber bereits ein Jahr später. Es war Krieg und Erich Woschech tauschte den Malerkittel mit dem Waffenrock. Er überlebte die Jahre in Schreibstuben in Weißrussland und Belgien, vergrub beim letzten Heimaturlaub seine Werkzeuge im Garten und kam 1945 unversehrt in den Spreewald zurück. Turbulente Lehrjahre und eine verlorene Jugend
Weniger Glück hatte die jüngere Generation. Roland hatte im Krieg die Lehre bei Obermeister Quitzke in Cottbus begonnen, und erinnerte sich später an die Renovierungsarbeiten in der Oberbürgermeister-Villa bei von Baselli in der Seminarstraße. Man musste Füßlinge überstreifen, um übers Parkett zu schlittern. Doch Quitzkes Werkmeister wurde eingezogen, und Jung-Woschech beendete seine Lehre bei Koal in Ströbitz. Mit dem Gesellenbrief vom 1.8.1943 wurde er Panzersoldat, konnte später aus dem Kessel von Halbe türmen, wurde in Falkenberg aufgegriffen und gefangen genommen. Erst 1949 kam er zurück. Von seinem Berliner Cousin, den er in den 45er Wirren zufällig getroffen hatte, hörte er vorerst nichts mehr. Edgar war sein Name, später ein sympathischer Berliner Filou und Lebenskünstler. Erst Adenauers Intervention in Moskau ermöglichte ihm, erbärmlich abgemagert, die späte Heimkehr. Er kam zu seiner Mutter nach Berlin und fragte: „Hast Du einen Sohn?“ „Ich hatte einen“, antwortet sie, „aber er ist verschollen.“ Er darauf: „Ich bin’s, Mutter.“ Eddi lebt nicht mehr, aber sein Herz gehörte bis ins hohe Alter – er wurde 86 Jahre – dem Spreewald, wo er die schönste Zeit seiner Kindheit bei den Verwandten erlebt hatte.
Die produktive Achse (West-)Berlin – Burg
Elisabeths Leihbücherei, in der Eddi aushalf, wurde für den Burger Malermeister Erich Woschech gewissermaßen zur hilfreichen Zweigstelle. „Von hier bezog Opa gutes Material und Werkzeuge, mit denen auch anspruchsvollste Arbeiten möglich wurden“, erklärt Uwe Woschech. 1953 etwa wurde die Werbener Kirche restauriert mit ihrer berühmt gewordenen „Gemüse-Decke“. Vater Roland gelangte zu Ansehen und wurde jetzt für die Kasernierte Volkspolizei angeworben. Aber er erinnerte sich eines Schwurs, den er einst einem polnischen Freund gegeben hatte: „Mir sollten die Hände abfaulen, wenn ich jemals wieder eine Waffe anfasse.“ Stattdessen kümmerte er sich um gutes Handwerk, fuhr 1957 mit der „RT“, einem 125er MZ-Motorrad, zum Deutschen Malertag nach Köln. In jenem Jahr ist Uwe Woschech geboren; ihm war der Beruf vorbestimmt.
Die produktive Achse Berlin-Burg drohte am 13. August 1961 zu brechen. Opa war grad bei seiner Schwester und wollte nach gutem Frühstück heimwärts aufbrechen, da verstellten ihm die Grenzmaurer den Weg: Kein Durchgang! Der couragierte Spreewälder drohte, die Grenzer müssten dann seine Beschäftigten bezahlen, wenn er nicht zu seinem Betrieb käme. Er kam, und er fuhr drei Jahre später, als er Rentner wurde, wieder munter als Werkzeug- und Material-Kurier hin und her. Neid führte zur Denunziation: Als er seinen Pass verlängern wollte, hielt ihm der Polizist Schwarzarbeit in Westberlin vor. Der Pass war weg. Aber Roland Woschech erklärte, er werde nun auch keine Schilder mehr für den 1. Mai und für die Kranzniederlegungen malen. Eine Woche später kam der Brief, der Pass sei abzuholen.
Nach 1989: Jede Menge gute Arbeit
Auch für Uwe Woschech waren im Familienbetrieb Lehrjahre keine Herrenjahre. Aber falls er noch Zweifel an der Berufswahl gehabt hätte – die ersten Jobs in Feierabendarbeit wischten sie weg. Fünf Mark Ost pro Stunde, das reichte für zehn Bier. Sollte da nicht Spaß sein!? „Ich wollte immer so gut wie Opa sein“, erzählt Uwe Woschech. „Nach der Schule saß ich stundenlang bei ihm, wenn er seine Bilder gemalt hat.“ Den Betrieb hatte erst Lothar, der Jüngste, übernommen, später Roland Woschech, dem die Handwerkskammer den Goldenen Meisterbrief überreichen konnte. Das war in den besten Jahren, nachdem die Woschechs mit 40 Mitarbeitern die ganzen Cottbuser Oberfinanzdirektion und andere Liegenschaften renoviert hatten. Wichtig aber blieben stets die privaten Kunden, die Aufträge daheim im Kurort. Zuletzt haben die Maler das Hotel der Spreewaldtherme in laufendem Betrieb komplett renoviert. „Da wurde morgens von vier bis acht leise gearbeitet. Wenn die Gäste zum Frühstück gingen, waren wir weg.“
Meister Uwe Woschech ist stolz auf das heute Mögliche. Die100-Jahr-Feier fällt nun leider aus. Aber ein großes DANKE an alle treuen Wegbegleiter bewegt ihn und seine Frau in diesen Tagen. H.
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