Cottbus: Der Schiller kann nichts dafür

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„Tell“ von Jo Fabian, nicht von Schiller. Szene mit (v.l.n.r.): Gabriella Weber (Gertrud Stauffacher), Thomas Schweiberer (Werner Stauffacher), Matthias Horn (Walther Fürst) und Boris Schwiebert (Arnold vom Melchtal) Foto: Andreas Köhring

Jo Fabian verlegt den „Tell“ an Stammtische in Bayern und Ost-Sachsen.

Cottbus. Mancher hat sich vielleicht überlegt, wieviel Gäste das Theater für den „Tell“ ran holt. Schiller hatte da jede Menge Leute reingeschrieben, und bei der Uraufführung in Weimar spielte 1804 die halbe Stadt mit.
Aber „Wilhelm Tell“ ist ja hier nur ein Etikett. Schiller wird gelegentlich zitiert, und es gibt keine „hohle Gasse“, durch die jemand nach Küssnacht will, denn das Stück verharrt am bayrischen Stammtisch und meint die Wir-sind-ein-Volk-und-so-weiter-Deppen aus Ostsachsen und vielleicht auch nördlich davon.
Jo Fabian, unser neuer Schauspieldirektor, hat das Stück im Genre zwischen Berchtesgadener Bauerntheater und Hamburger Ohnsorg angesiedelt. Er führt Regie und räumt, zusammen mit Katharina Lautsch, auch die Autorenschaft ein.
Sein Tell (Denis Schmidt) ist ein ganz zahmer dörflicher Papa, der sich opportunistisch zu Boden knallt, wenn häuslicher Friede in Gefahr gerät. Das freut Gessler (Wolf Gerlach, richtig giftig), der seinen Herrschaftshut auf den Zehnender geworfen hat und lustvoll die hölzernen Stammtisch-Knaben terrorisiert.
Deren Wortführer ist Stauffacher (Thomas Schweiberer, kaum zu halten, wenn er ins besoffene Kreiseln gerät), und dem gibt Fabian – was ja heute auf jedem Platz möglich ist – erst mal ein Mikrofon. Sein Weib (Gabriella Weber, wie eine Wirtin im richtigen Leben) sieht mit Skepsis, wie ihr Gemahl sich aufgockelt. Und dann fügen sich die Weisheiten für feige Stammtischbrüder (Matthias Horn, der seriöse, Boris Schwiebert, der verlangsamt bäuerliche) zu hoher Philosophie. Den deutschen Dichter (pantomimisch großartiger Axel Strothmann) haut’s da einfach um. Es endet erwartungsgemäß: skandierende Rufe, die dem Klange nach, nicht mal in den Worten, vertraut ärgerlich schallen. Naja.
Schiller war’s nicht. Aber ein ziemlich kraftvolles Theater, in dem das Lachen nachlässt. J.H.