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Gräbendorfer See im Weichbild des Spreewalds

Land und Leute | Von | 8. September 2017

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Immer wieder einen Ausflug wert: Die Mühle, die am Koselfließ liegt, aber nie der Gräfin Cosel gehörte Fotos: Archiv/J. Heinrich

Ein Leseprobe aus dem Buch „NIEDERLAUSITZ zwanzig-siebzehn“ – hier erheblich gekürzt.

Unsere heutige Tourbeschreibung ist zugleich eine Buchempfehlung. Wir haben sie dem Jahrbuch „NIEDERLAUSITZ zwanzig-siebzehn“ entnommen. Von Seite 98 bis 121 führt sie Jürgen Heinrich dort in die Landschaft um den Gräbendorfer See. Das Buch ist im Handel oder direkt im Verlag zu haben. Lesen Sie selbst:

Wüstenhain. Gleich links steht das kleine Kirchlein, davor vereinzelt die eisernen Grabkreuze. Das sind einfache „Helden“ des Alltags, derer hier gedacht wird: „Hier ruht Gottlieb Katser, geboren zu Sandow den 14. Januar 1808, nach 31jähriger Dienstzeit als Schäfer in Wüstenhain am 31. Dezember 1868 gestorben im Alter von 60 Jahren…“.
Ein guter Schäfer galt viel im Dorf zu jener Zeit. Dass hier rund 200 Jahre vor Katsers Dienstzeit das Rittergut einmal gänzlich dem Ortsschäfer zugeschrieben wurde, haben die Bauern hier vermutlich nie vergessen.
Andere Wüstenhainer sind herumgekommen in der Welt, viele von ihnen leider ohne Gelegenheit zur Rückkehr. Die Orte der Dahin-Gefallenen, verzeichnet auf dem Denkmal für die Helden des I. Weltkriegs, machen nachdenklich. Odessa, Belgien, Russland, Frankreich… Sie waren für den Kaiser unterwegs, aber auch für’s Vaterland…?
In Wüstenhain heißen alle Straßen Hauptstraße. Das ist kein Problem; sie führen wie die Spannfäden alle zur Mitte, die sich fast kreisrund um ein langes Gebäude mit vielen Fenstergauben legt. Hier, im alten Gut, schickt sich ein mutiger Streiter für die wendische Volkskultur an, ein Café oder Restaurant mit Pension auszubauen. Hannes Kell, der in der Gegend auch als Mitglied der Arbeitsgruppe Wendische Gottesdienste bekannt ist. Sein Eiscafé, das inmitten bunter Blumen eines Ökogartens Radler, Wanderer und Autotouristen beköstigt, liegt fast in Rufweite zum neuen Gräbendorfer See. Er nennt es Kzschischoka nach einem Fließ, das, von Reddern kommend, heute im neuen See endet.
Ein Wäldchen nur liegt zwischen diesem See und „ Kzschischoka“ mit dem Softeis, und man braucht nicht mehr viel Puste, um flugs zum Strand zu gelangen. Und was für ein Strand das ist!

Gräbendorfer See. Ein kristallklares Gewässer – kaum zu glauben, dass hier 1992 noch Kohlbagger

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Längst eine typische Landschaftsmarke für Laasow – das schwimmende Haus. Rund um den See gibt es feinen Sandstrand

schürften und breite Bänder dumpf knarrten.
Nichts mehr da von alledem. Bis 2007 wurde geflutet. Grundwasser und 100 Millionen Kubikmeter Spreewasser füllten den jetzt bis zu 55 Meter tiefen See. Im Gegensatz zu anderen Tagebauseen ergab sich hier sofort optimale Badequalität. Viele Menschen aus dem Cottbuser Raum wissen das und schätzen auch den 9,4 Kilometer langen Asphalt-Rundweg als Scater- oder eben auch Fahrradbahn.
Wo aber liegt Gräbendorf?
Nein, nicht unten auf dem Grunde des Wasseres mit all den goldenen Bechern der Baronin von Stutterheim, sondern eher etwas südlicher unterm Berg. Um 36 Millionen Tonnen Kohle zu fördern, mussten seit 1979 gut 840 Hektar Landschaft in Anspruch genommen werden; etwa die Hälfte davon glitzert heute als See, die andere wurde wieder Berg. So ist das immer bei diesem brutalen menschlichen Eingriff in Gottes Schöpfung. Kann sein, dass Der HERR freundlich zwinkert heute, wenn er auf Wüstenhain, Laasow, Reddern, Casel und das göttlich Auge dazwischen schaut. Es scheint gelungen, das Werk. Gräbendorf samt Laasdorf mit zusammen 65 Einwohnern verschwanden ganz von der Landkarte.
Wie Wüstenhain gehörte Gräbendorf „bey den gewesenen Kriegswehsen“, wie Amalie Elisabeth von Stutterheim klagte, nach 1648 zu den verlorenen Dörfern, in denen sich kein Untertan mehr fand. Sie hat aber ihre Geschmeide für 1 235 Reichsthaler versetzt, um ein Gutshaus, Vorwerk, Viehstall und drei Gärtnerhäuslein errichten zu helfen. So ging es wieder aufwärts mit Gräbendorf, das schließlich 1885 in die Hände des Heinrich von Witzleben auf Altdöbern und vermutlich um 1915 in den Besitz der Grube Ilse kam. Damit war ein Schicksal besiegelr.
Dieser See also. Er lockt Leute im Mobil selbst von der Küste her an. Als nördlichster der Lausitzer Seen liegt er ganz nahe am Spreewald. Durchaus in voller Absicht bleibt es rund um ihn etwas ruhiger als in Senftenberg, Großräschen oder an den anschließenden Seen im Sächsischen. Immerhin schwimmt hier eines der ersten Ponton-Häuser, drüben auf der Laasower Seite, wo sich auch der belebteste Badestrand zu entwickeln scheint.
Wir folgen dem schön geschwungenen Rundweg gegen den Uhrzeigersinn. Von Westen her grüßt über den sanften Hügel die zierliche Laterne auf der gewölbten Turmhaube der sehr alten Kirche von Laasow. Dort wurde bis 1830 noch wendisch gepredigt. Damit konnten die Schweizer Grafen von Pourtalès wenig anfangen. Sie hatten das überschuldete Laasow 1842 günstig erworben. Zeugnisse ihrer Lebenskul-
tur sind das Gutshaus im schweizerischen Villenstil und auf dem Friedhof ein marmorner Auferstehungsengel, den Bernhard Afinger (1813-1882) schuf, ein Künstler der an verschiedenen deutschen Orten bedeutende Standbilder und Büsten hinterließ. Am weitesten ragen aus Laasow die Flügel der Windräder ins Land. Die Anlage mit 160 Meter Nabenhöhe war bis 2002 höchste Kraftanlage ihrer Art weltweit.
Vom bewaldeten Ufer fällt der Badestand beim schwimmenden Haus von Laasow sanft zum Wasser hin. Etwas weiter, im Redderner Bereich, liegen Boote vor Anker. Der Ort, der kein „Schloss“ mehr hat (das Gutshaus brannte 1918 nieder) aber einen bemerkenswerten Park, wurde zur Hafengemeinde. Reddern, in den 1980er Jahren aufgegeben, entkam den Baggern und blüht heute als Altdöberner Ortsteil neu auf.

Casel.Wir biegen ab vom Weg, lassen uns nach Casel leiten und finden zunächst einen etwas

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Völlig neu entstanden und hilfreich für Radler: das Café in Wüstenhain. Alle drei Bilder gehören zur Buch-Reise 2016

futuristischen Neubau – das Umwelt- und Begegnungszentrum Gräbendorfer See, das ein 2006 gegründeter Verein betreibt. „Wir verbringen hier zusammen jedes Jahr tausende Stunden unserer Freizeit“, erzählt die Vorsitzende Angela Krohn. An Sommer-Wochenenden bieten die Frauen Radlern wie uns auch Kaffee und Kuchen an.
Wenn auch der Magen knurrt und Casel direkt vor uns liegt – ein Blick auf die kleine Kirche, die sich in eine Talsohle kuschelt, sollte sich lohnen. An einem Schaubrett, das in leicht verblichenen Fotos an Gemeindefeste erinnert, wirkt die Kirche wie in einem See stehend. Kräftiger Regen genügt, bestätigen uns Einwohner, solch ein Phänomen zu erzaubern. Der einfach strukturierte Bau aus Feld- und Backsteinen mit dem hölzernen Dachreiter-Turm stammt aus dem 15. Jahrhundert.
Nur wenige Schritte weiter wartet auf uns ein Haus am vollkommen richtigen Platz – der Landgasthof Schönknecht, zu dem schon seit langer Zeit ein Wildgatter gehört. Nicht zur Zier, sondern für Pfanne und Backröhre werden die Damhirsche gehalten. „Ökologischer und direkter ohne verdächtige Umwege kann Fleisch nicht auf den Tisch kommen“ versichert Frank Schönknecht. Wer im Spätsommer einen Platz auf der Terrasse will, kann hier sogar von den Weintrauben pflücken. „Die sind für unsere Gäste da. Nur zu!“, ermuntert der Wirt.
Im Juni hat Casel, Ortsteil von Drebkau, mit dem griffigen Slogan „My home is my Casel“ eine spektakuläre Einzigartigkeit aufzuweisen, die in langer Tradition lebt: das Johannisreiten. Nur hier gibt es das, Jahr für Jahr.

Illmmersdorf. Alle Illmersdorfer Dorfstraßen heißen „Illmersdorfer Dorfstraße“. Das ist so ähnlich wie in Wüstenhain, nur dass dort alle Straßen Hauptstraße heißen. Das bleibt aber nicht die einzige Kuriosität in Illmerdorf. Es gibt zum Beispiel am Forsthaus den Wetterstein, der im Freien an einem Strick hängt und zuverlässig das Wetter ansagt. Wenn er zum Beispiel schaukelt, heißt das, dass Wind weht. Wenn er nass ist, regnet es. Und sollte er runter fallen, ist in Illmersdorf Erdbeben. Der Stein irrt nie.
Etwas komplizierter liegt die Sache bei den Mumien in der flachen Gruft in der Kirche. Das sind Leute, die verwesen aus irgendeinem Grunde nicht, und das, obwohl sie 1945 von den Russen einfach auf die Straße geworfen wurden, weil die sich für genarrt hielten und unter den gut gekleideten verblichenen Adligen Waffen vermuteten. Die längst Verstorbenen waren aber harmlos. Wer das Gruseln liebt, kann mit der Kirche einen Besichtigungstermin vereinbaren…

Der Weg führt zu weiteren schönen Plätzen, u.a. nach Koschendorf oder in die malerische Koselmühle, die in jeder Jahreszeit einen Besuch wert ist.
Vielleicht lesen Sie mal oder entdecken diese schöne Ecke selbst.

 



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